Journalistische Ignoranz

Ich bin erstaunt, verärgert und auch ein wenig ratlos: Hat doch der Trierische Volksfreund hat ein Tabu gebrochen:
Unter der Überschrift »Ignoranz ist kein Mittel des politischen Diskurses« ohrfeigt der Redakteur Harald Jansen in seinem Artikel vom 12.3.2020 die anderen Fraktionen im Trierer Stadtrat und bricht eine Lanze für einen Antrag der AFD Fraktion (S. 9 Titelseite! des Lokalteils), auf Facebook gleich umjubelt von Michael Frisch persönlich! 

Da ich als verkehrspolitischer Sprecher meiner Fraktion auch zu denen gehöre, die eine Stellungnahme zu dem Antrag der AFD hätten abgeben können, fühle ich mich angesprochen. 

Natürlich kann ich nur für mich selbst sprechen, warum ich mich veranlasst, ja gezwungen sah, den Antrag der AFD in öffentlicher Ratssitzung nicht zu kommentieren.

Um zu wissen, was mir genau vorgeworfen wird, schlage ich noch einmal im Duden nach, was Ignoranz eigentlich bedeutet:

Aha: Dort wird der Begriff als »tadelnswerte Unwissenheit, Kenntnislosigkeit« beschrieben. Wikipedia meint, Ignoranz bedeute, «dass eine Person einer Sache unkundig ist oder sich absichtlich nicht mit dieser befassen möchte.« War dem so?

Machen wir uns doch einmal kundig, wer was über die Frage der elektrischen Lastenräder geäußert hat.

Ich habe das vor der Ratssitzung getan und Folgendes festgestellt:

Die Last mit den Lastenrädern

Im Kommunalwahlprogramm der Grünen findet sich zum Thema unter Punkt 2.4 folgendes Postulat: »Die Anschaffung von Lastenfahrrädern soll von der Stadt Trier für Privatpersonen, Unternehmen, Selbstständige und Vereine mit 30% der Anschaffungskosten bezuschusst werden, maximal mit 500 € bei Lastenfahrrädern ohne Elektroantrieb, maximal mit 1.000«. Diese Forderung ist also fast identisch mit dem Inhalt des Antrages der AFD Fraktion in genannter Stadtratssitzung.

Nun ist es zwar unwahrscheinlich, aber nicht unmöglich, dass es in diesem Punkte inhaltliche Übereinstimmungen zwischen AFD und Grünen gibt.

Deshalb werfe ich einen Blick in das Kommunalwahlprogramm der Trierer AFD.

Doch solange ich auch schaue, ich kann kein Wort zum Thema »Lastenfahrräder« entdecken. Nirgendwo!

Zum Punkt »Fahrrad« fordert die Partei ganz allgemein »keinen weiterer Rückbau von Fahrspuren zugunsten von Radwegen« und »Fußgänger besser Fahrradrowdys zu schützen«. Das hört sich nicht gerade danach an, als wären hier vehemente Anhänger des Radverkehrs am Werke gewesen.

Als Nächstes interessiert mich, was die AFD bundesweit zu dieser Thematik sagt.

AFD: Ein vehementer Gegner von Lastenfahrrädern

Eine Millionenförderung für Lastenräder in Sachsen-Anhalt wird beispielsweise von dem AFD Politiker Matthias Büttner mit den Worten kommentiert »Mit welchen Maßnahmen die grün-indoktrinierte Kenia-Koalition versucht, das Auto als Fortbewegungsmittel von der Bildfläche zu tilgen, ist absolut lächerlich und realitätsfern. Das Land verschwendet Millionen für die utopische Idee eines selbstfahrenden Lastenfahrrads, während es schon an den infrastrukturellen Rahmenbedingungen scheitert«.

Eine entsprechende Initiative der Stadt Chemnitz wurde von der AFD wie folgt kommentiert (Zitat Freie Presse Chemnitz): »Die vorgeschlagene Förderung sei Geldverschwendung, sagte Nico Köhler (AfD), Robert Andres (Pro Chemnitz)« und nannten Lastenfahrräder »eher Rückschritt als Fortschritt«.

Es würde Sie langweilen, wenn ich noch mehr Stellungnahmen dieser Partei zitieren würde. Mein Vorschlag daher: Machen Sie sich selbst ein Bild und »googeln« einfach die Begriffe »AFD« und »Lastenfahrrad«.

Sie werden, so wie ich es in Vorbereitung dieser Sitzung getan habe, verblüfft feststellen, dass es keinen größeren Gegner dieses umweltfreundlichen Fortbewegungsmittels gibt als die AFD.

Warum, so habe ich mich als nächstes gefragt, stellt nun ausgerechnet die Trierer AFD Fraktion in unserem Stadtrat einen solchen Antrag?

Bei dieser Faktenlage gibt es nur eine Erklärungsmöglichkeit:  Das Ansinnen kann nicht ernst gemeint sein und sollte  allein dazu dienen, uns von den anderen Parteien »vorzuführen«, der Lächerlichkeit preiszugeben. 

Das System ist leicht durchschaubar, oder? Die AFD greift sich aus dem Wahlprogramm einer anderen Partei ein Thema heraus, stellt dies zum Antrag und wartet ab, was geschieht:

Stimmen alle Fraktionen dem Antrag zu – was wenig wahrscheinlich ist – kann man triumphieren.  Stimmen sie dagegen, kann die AFD über die anderen Fraktionen herziehen, warum man ein vorgeblich solch vernünftiges Anliegen nur ablehnen kann.

Nicht zum ersten Mal und ohne Grund sind wir im Trierer Stadtrat mit solchen, auf den ersten Blick harmlos aussehenden AFD Anträgen konfrontiert worden.

Mit anderen Worten: Es geht gar nicht um den Inhalt eines Antrages! Der Stadtrat soll für eigene Zwecke der AFD instrumentalisiert, sagen wir ruhig missbraucht werden. 

Nein, das lasse ich nicht mit mir machen! Und diesen Gedanken werden auch andere Ratsmitglieder gehabt haben!

Aus den genannten Gründen habe ich deshalb die Entscheidung getroffen, dass dieser Antrag nicht ernst gemeint ist und deshalb keiner Kommentierung bedarf. Andernfalls hätte die AFD ihr Ziel erreicht!
Das Schweigen der anderen disqualifiziert den Antrag als nicht ernst gemeinten Scheinantrag, der einer Debatte unwürdig ist!

»Hätte man das nicht in der Sitzung sagen sollen?«

Auch hier ein klares »Nein«! Zum einen wäre dann nur die leicht durchschaubare Taktik der AFD, den Stadtrat zum Spielball ihrer Interessen zu machen, aufgegangen. Zum anderen gehören meines Erachtens solche Debatten nicht in ein Kommunalparlament!

Dass dieses Verhalten nun vom Trierischen Volksfreund als »Demokratiedefizit« gebrandmarkt wird, erstaunt mich nicht nur, es macht mich auch sehr betroffen. Zur Demokratie gehört nicht nur das Recht, zu einem Thema etwas zu sagen, sondern auch einmal zu schweigen. 

(Übrigens: Die meisten Tagesordnungspunkte in einer Ratssitzung werden unkommentiert abgehandelt! Denn die Gemeindeordnung sieht eine Pflicht zur Stellungnahme nicht vor. )

Wenn dann auch noch ein Satz zuvor die – meiner Einschätzung nach – völlig aus der Luft gegriffene Behauptung erhoben wird, es hätte (angeblich) zuvor eine »Zusammenarbeit« mit der Fraktion rund um Michael Frisch gegeben, verärgert dies noch mehr.

Es gibt und gab keine Zusammenarbeit mit der AFD!

Ganz im Gegenteil, ich weiß definitiv, dass niemals eine solche Zusammenarbeit mit irgendeiner  Fraktion stattgefunden hat. Ganz im Gegenteil. Sie wurde immer abgelehnt. Weder meine Frau, noch Thorsten Wollscheid oder ich selbst (die »Abweichler« der CDU Fraktion zum Thema Brubach), haben jemals auch nur ein Wort über dies Thema mit Michael Frisch oder sonst einem Mitglied der AFD Fraktion gewechselt.

Zudem wurde zunächst die falsche Behauptung in die Welt gesetzt, das Baugebiet Brubacher Hof sei nur Dank der AFD-Stimmen abgelehnt worden. In einem kleinen Artikel auf Seite 10 links des TV vom 13.3.2020 wurde diese Darstellung dann korrigiert und klargwstellt, dass die AFD-Stimmen für die Entscheidung nicht ausschlaggebend waren.

Audiatur et altera Pars

Zum Schluss: Wäre es nicht fair gewesen, vor Verfassen eines solchen Artikels einmal Kontakt zu den übrigen Fraktionen aufzunehmen und sie um Stellungnahme zu bitten? Ich habe das jedenfalls während meines Publizistik-Studiums so gelernt,  zu einem «Diskurs« gehöre es, auch die andere Seite zu hören.

Deshalb hätte es mich sehr gefreut, wenn der zuständige Redakteur vor seinem Artikel auch entsprechende Recherchen zu den politischen Hintergründen angestellt hätte.

Denn: Ignoranz darf kein Mittel der journalistischen Arbeit sein!