Die Täter sind unter uns!

Großer Andrang im Festsaal am Kornmarkt: Die Veranstalter, der CDU Kreisverband Trier-Stadt und die Konrad-Adenauer-Stiftung, müssen noch jede Menge Stühle in den Saal schaffen, um jedem der zahlreichen Zuhörer einen Sitzplatz zu verschaffen.

Der Zulauf ist auf das Thema des diesjährigen Festaktes zum „Tag der Deutschen Einheit“ und den Hauptredner zurückzuführen, einem Mitglied der Grünen: Dr. Hubertus Knabe, Direktor der Gedenkstätte Berlin-Hohenschönhausen sprach zum Thema „Die Täter sind unter uns. Über das Schönreden der SED-Diktatur“.
CDU Kreisvorsitzender, MdB Bernhard Kaster, begrüßt die Gäste und erinnert an die große Demonstration 1987 in Trier anlässlich des Besuchs von Erich Honecker in der Stadt.

Hubertus Knabe greift den Hinweis auf und beginnt seinen Vortrag mit den Worten: „Die Stasi lebt noch!“

Die Taeter sind unter uns Bedrückende Stille herrscht im Saal, während der Historiker von den Ungerechtigkeiten erzählt, mit denen er sich bei der Aufarbeitung der jüngsten Geschichte befasst.
Da gibt es auf der einen Seiten die ehemaligen Bürger der DDR, die sich dem System nicht nur angepasst, sondern auch aktiv mitgewirkt haben, um von der Diktatur besser profitieren zu können. Sie wurden reich für ihren Einsatz bei der Stasi oder ähnlichen Einrichtungen, die ihre Mitbürger überwachten, demütigten und drangsalierten, bezahlt: Das Dreifache des damals in der DDR üblichen Lohnes gab es, dazu manche Privilegien. Und nicht nur das: Nach der Tätigkeit im Sinne des Unrechts-Staates zahlte dieser 90 Prozent des Gehaltes als Rente aus.
Das kann nicht richtig sein, meinte schon nach der Wende die DRR Volkskammer und kürzte diese Rente auf den Durchschnitt einer DDR-Rente.
Die ehemaligen Stasi-Leute haben sich nach der Wiedervereinigung in der ISOR (Initiativgemeinschaft zum Schutz der sozialen Rechte ehemaliger Angehöriger bewaffneter Organe und der Zollverwaltung der DDR) einem gemeinnützigen Verein(!) zusammengeschlossen. Sie erreichten durch eine Klage vor dem Bundesverfassungsgericht, dass sie jetzt wieder die volle Rente erhalten, 90 Prozent des üppigen Lohnes.
4,1 Milliarden Euro kostet das jetzt unseren Staat.
Da gibt es aber auf der anderen Seite auch diejenigen, die sich nicht angepasst haben. Die sich beispielsweise weigerten, als Schüler in die FDJ einzutreten. Das DDR-Regime sanktionierte solches Verhalten konsequent: Einen qualifizierten Berufsabschluss durften solche Menschen nicht machen, ihnen blieben Tätigkeiten als Pfleger im Krankenhaus oder als Friedhofsgärtner. Die Folge für heute: Eine Rente, von der sie kaum leben können.
Viele von ihnen haben sich damals auch aktiv gegen das damalige System gewehrt, beispielsweise demonstriert, Regimekritisches geschrieben oder Ähnliches. Jeder weiß, dass die DDR sie damals hart für diese „Verbrechen gegen die Republik“ bestrafte : Gefängnis unter unmenschlichen Bedingungen, die in der Gedenkstätte Berlin-Hohenschönhausen dargestellt werden. Verlust der Freiheit wegen Nichtigkeiten, Demütigung, Misshandlungen, auch Folter. Erhalten diese Opfer des Regimes heute wenigstens eine Entschädigung für das erlittene Unrecht? Ja, nach langen politischen Diskussionen wurde jetzt endlich eine Entschädigungsleistung beschlossen. Ganze 250 Euro gibt es im Monat, aber nur für diejenigen, die ihre Bedürftigkeit nachweisen können.
Das kostet unseren Staat 60 Millionen Euro. Man muss verstehen, dass er sparen muss, schließlich sind die 4,1 Milliarden Euro für die Stasi-Rente zu bezahlen.
Ungläubiges Staunen und Entrüstung im Zuschauerraum. Aber diejenigen, die gemordet, gefoltert, Menschen entführt haben, werden doch wohl bestraft worden sein, dachte sich so mancher im Saal, wenigstens die, die es am schlimmsten getrieben haben ?
Die vom Referenten gegebene Antwort auf diese unausgesprochene Frage hinterließ noch mehr Unbehagen und ungläubiges Staunen im Saal: Ganze 19 – Neunzehn – Menschen dieses gigantischen Unterdrückungssystems sind ins Gefängnis gesteckt worden, „Täter ohne Strafe“ nennt Hubertus Knabe dieses unbegreifliche Phänomen.
Die Ursachen hierfür sind vielfältig. Es gibt zum einen juristische Gründe, es gab da den Einigungsvertrag, der festlegte, dass nur das bestraft werden kann, dass nach dem damaligen Rechtssystem auch strafbar war. Vor allem, so Knabe, fehlte da der politische Wille. Die wenigen Staatsanwälte, die beispielsweise in Berlin abgestellt waren, um das DDR-Unrecht zu verfolgen, waren hoffnungslos überlastet. Die Beweislage war oftmals schwierig. So kam es, dass nur ein Prozent aller Fälle überhaupt zur Anklage kamen. Die Gerichte waren genauso überlastet. Viele Fälle blieben deshalb lange liegen, etliche Straftaten verjährten, die meisten Verfahren wurden dann irgendwann eingestellt. „Kalte Amnestie“, nennt dies Hubertus Knabe.
Wenn die Opfer schon nicht entschädigt werden, die Täter nicht bestraft werden, dann darf das Geschehen doch wenigstens nicht vergessen werden, mahnt Knabe zum Schluss. Doch auch bei diesem Thema sieht es düster aus. Viele der damaligen Täter leugnen ihre Taten, bestreiten, dass überhaupt Unrecht geschah. Sie haben sich gut organisiert, teilweise Anbindung an die heutige Partei „ Die Linke“ gefunden. Sie lassen ihre Verantwortung für das damalige Grauen nicht gelten, wollen mit der SED nichts zu tun haben, obwohl die meisten ihrer Mitglieder im Osten ehemalige SED Mitglieder waren.
Knabe selbst, so berichtet er, darf von den damaligen Tätern ungestraft Volksverhetzer genannt werden, wenn er auf das DDR-Unrecht aufmerksam macht. Die Gedenkstätte Hohenschönhausen wird von Ex-Stasi Leuten als „Gruselkabinett“ bezeichnet, die dort begangenen Grausamkeiten werden geleugnet.
Die älteren ehemaligen DDR Bürger verdrängen die schlechten Erlebnisse aus dem Gedächtnis. Es wächst eine neue Generation heran, die nicht mehr von der Diktatur weiß. In den Schulen steht das Thema „DDR-Regime“ nicht auf dem Stundenplan. In vielen Filmen und Büchern wird das diktatorische System verniedlicht. „Die Vergangenheit darf nicht verklärt werden!“, warnt Dr. Knabe eindringlich.
Der Bundestagsabgeordnete Bernhard Kaster fasst nach einer Fragerunde das Ergebnis des Abends zusammen: Auch 17 Jahre nach der deutschen Einheit ist die 40jährige DDR-Diktatur noch lange nicht aufgearbeitet. Die politische Diskussion über das, was dort geschehen ist, noch lange nicht abgeschlossen, ja sie hat noch nicht einmal richtig begonnen. Das muss sich bald ändern!