Geheimnisverrat?

So langsam nervt es wirklich:
Im August vergangenen Jahres wurde unter dem Titel “muntere Plauderei” im TV berichtet, ich (ein Staatsanwalt!) würde aus nicht öffentlicher Sitzung erzählen. (Siehe dazu auch hier). Obwohl am Ende des Artikels der entscheidende und erlösende Satz kam, dass ich nicht über Themen berichte, die der Geheimhaltung bedürfen, kam doch bei vielen irgendwie der Eindruck auf, ich würde irgendetwas illegales anstellen. (Viele lesen eben doch nur die Überschrift).
Die Folge war, der sich von zahllosen Bekannten angesprochen wurde, immer mit sehr besorgtem Unterton. Unzählige Male musste ich mich rechtfertigen und erklären. Der Oberbürgermeister setzte das Rechtsamt auf mich an, das offenbar zu dem Ergebnis kam, dass ich nichts Unzulässiges täte (offiziell unterrichtet worden bin ich darüber nie). Jede Menge Ärger also, der nervte.

Am vergangenen Mittwoch wieder ein Artikel, indem zweimal herausgestellt wird, ich habe aus “nicht-öffentlicher Sitzung” berichtet. Außerdem folgte irgendeine Beschwerde E-Mail des TV an die Stadtverwaltung, über die man mir erzählte. Der genaue Inhalt ist mir nicht bekannt. Die Folge jedenfalls: Wieder viele besorgte Telefonanrufe („Was hast Du denn da wieder angestellt?“), eine verschnupfte Baudezernentin, eine wütende Presseerklärung der Grünen. Wahrscheinlich wird noch so Manches folgen. Es nervte jedenfalls wieder.

Muss ich jetzt also doch ernsthaft überlegen, die weiße Fahne zu hissen und meine Berichte einzustellen? Mir würde tatsächlich eine Menge Ärger erspart bleiben. Ich frage mich allerdings auch, wem dann damit geholfen wäre?

Zunächst will ich noch einmal deutlich herausstellen, dass nicht-öffentlicher Sitzung doch nicht bedeutet, dass der Gegenstand der dort beraten ist, geheim sei. Sicher, es gibt Dinge, die dort beraten werden, die – zumeist aus Datenschutzgründen – nicht bekannt gegeben werden dürfen. Beispielsweise der Umstand, welcher Person ein bestimmtes städtisches Grundstück verkauft worden ist.
Im Übrigen dient eine nicht öffentlicher Sitzung in der Hauptsache doch dazu, den Ratsmitgliedern eine Beratungsmöglichkeit einzuräumen, ohne unter dem Drucke einer öffentlichen Beobachtung zu stehen. Man soll auch einmal frei diskutieren dürfen, ohne dass damit beispielsweise eine Festlegung verbunden wäre. Aus diesem Grunde sieht die Gemeindeordnung auch vor (§ 20 Abs. 1 S. 4), dass Meinungsäußerungen von Sitzungsteilnehmern und Stimmenabgabe einzelner Personen, die nicht öffentlicher Sitzung erfolgen, stets geheim zuhalten sind. (Gleichwohl plauderten übrigens Vertreter von SPD und Grüne in den Haushaltsreden ganz munter über Meinungsäußerungen einzelner Sitzungsteilnehmer aus den Beratungen im Steuerungsausschuss, die der CDU angehörten, ohne dass das irgendwie beanstandet wurde – das nur nebenbei.)
Im Übrigen legt die Gemeindeordnung fest, dass ein Ratsmitglied (nur) zur Verschwiegenheit über solche Angelegenheiten verpflichtet ist, die dem Datenschutz unterliegen oder deren Geheimhaltung ihrer Natur nach erforderlich ist oder vom Stadtrat aus Gründen des Gemeinwohls beschlossen worden ist.
Aus dieser Vorschrift des § 20 Gemeindeordnung kann im Umkehrschluss abgeleitet werden, dass alle Dinge, die dort nicht erfasst sind, auch nicht der Geheimhaltung unterliegen. Warum auch? Schließlich hat der Bürger einen Anspruch darauf zu erfahren, was im Stadtrat so alles vor sich geht, was mit seinen Stuergeldern angestellt wird.
Das Internet eröffnet meines Erachtens ganz neue Möglichkeiten, den Bürger über die Ratsarbeit zu informieren. Diese Gelegenheit nutze ich nun einmal, um über meine Tätigkeit im Rat zu berichten und damit ein ganz klein wenig zur der – in Sonntagsreden immer wieder geforderten – Transparenz beizutragen. (OK, ich kenne den Einwand und bestreite auch gar nicht, dass ich meine subjektive Sicht der Dinge schildere – aber jedes andere Ratsmitglied kann das doch auch tun).

So habe ich auch über den Fortgang der Diskussion betreffend Aulbrücke kontinuierlich berichtet. Viele Anrufe, die ich in diesem Zusammenhang erhalten habe, haben mir bestätigte, dass Viele an diesen Fragen ein großes Interesse haben. (Ich habe mich deshalb auch dafür eingesetzt, das Thema in öffentlicher Sitzung zu behandeln. und die Antwort erhalten, dass dies nicht möglich sei, da diesem Zusammenhang auch Details erörtert würden, die nicht veröffentlicht werden dürften.).

Man kann über die Frage, wie viel darf / muss öffentlich diskutiert werden, ganz unterschiedlicher Meinung sein. Die Medien verlangen aus ihrer Sicht verständlicherweise mehr, da es ihr Aufgabe ist, die Öffentlichkeit zu unterrichten, Neuigkeiten zu verbreiten. Man muss andererseits aber auch Verständnis dafür haben, dass es Möglichkeiten geben muss, Dinge, die auf jeden Fall ja abschließend öffentlich beraten werden, im Vorfeld einmal nicht-öffentlich zu diskutieren, zumal das Gesetz dies so ausdrücklich vorsieht. Über diese verschiedenen Sichtweisen kann man streiten. Mir macht es aber keinen Spaß, immer wieder zwischen die Mühlsteine dieser unterschiedlichen Standpunkte zu geraten.

12 Gedanken zu „Geheimnisverrat?

  1. Wahrscheinlich geht es einfach viel um Neid dabei. Außer Ihnen ist ja sonst kein Stadtratsmitglied so aktiv und auch sachlich-informativ in der Öffentlichkeitsarbeit. Grüße aus dem anderen politischen Lager, das sich eigentlich auch eine/n BloggerIn wünscht

  2. Hallo Herr Albrecht,

    nicht entmutigen lassen und weitermachen!
    Sie treffen mit Ihren Darstellungen im Internet einen wunden Punkt. Nämlich den, das viele Ihrer Stadtratskollegen keine Ahnung davon haben, was Öffentllichkeit bedeutet und aus schierer Angst vor Kontrollverlust eine größere Öffentlichkeit scheuen. Das was Sie hier im Blog tun ist etwas Bedeutendes! Es handelt sich hier zwar nur um “Lokalpolitik”, die politischen Prozesse und die Art und Weise von Meinungsfindung und Meinungsbildung der Abgeordneten funktioniert ja im Kleinen ganz ähnlich wie im Großen. Und durch Ihre Mithilfe kann nun der Bürger ebendiese Prozesse verstehen lernen und muß sich nicht mit der reinen Ergebnispräsentation zufrieden geben. Vermutlich fühlen sich einige Ihrer Stadtratskollegen entkleidet und schämen sich für diese Nacktheit.
    Das Sie durch Ihren Umgang mit dem Medium Internet diese verunsicherungen angestoßen haben sollten sie sich als Lob auf Ihre Fahnen schreiben. Da müssen die anderen nun Ihre Hausaufgaben machen und etwas über die Bedürfnisse der Bürger aber auch über die Rechte der Bürger lernen. Von meiner Seite aus an Sie der Wunsch: WEITERMACHEN!

  3. In den Weiten des Raumes sind Kreaturen die sich für das allgemeine Wohl einer Spezies rein hängen, und ein Interesse an Gemeinschaft, Ehrlichkeit und freiheitlichem Denken haben, und sich nicht von Instrumenten fragwürdiger Schlaumayer lenkbar machen lassen, gerne gesehen. Das es solche Kreaturen auch auf diesem Planeten mit Namen Erde gibt, ist sehr erfreulich.

    Weiter so!

    Gruss aus dem All
    Hermann Joda

  4. Ich schließe mich meinen Vorkommentatoren an. Öffentlichkeit und Transparenz sind zwei wesentlichen Merkmale der Demokratie.

    Was die Kritiker genau bemängeln habe ich nicht verstanden. Aber vielleicht gibt es da ja auch nichts zu verstehen…

    Anstatt politische Kindergartenspielchen zu betreiben, sollten sich alle anderen Fraktionen oder meinetwegen einzelne Mitglieder des Stadtrats ein Beispiel an Thomas Albrecht nehmen und offen und direkt über ihre politische Arbeit berichten.

    Gelegenheiten zum Monolog und zur Selbstdarstellung (Rathauszeitung)werden gerne von den Fraktionen genutzt. Wenn es um öffentlichen Dialog (beispielsweise Blogs) geht, wird anscheinend gekniffen. Warum diese Feigheit?

    Übrigens: Herr Jensen hat im Wahlkampf versprochen, seinen Blog nach der Wahl zum OB weiterzuführen. Vielleicht sollte ich ihn nochmal daran erinnern…

  5. Auch von mir: WEITER so! Gerade auch der durchaus subjektive Blick von Ihnen ist immer wieder sehr informativ.

    Ich schließe mich tetrapanax an und würde mir vom OB die versprochene Fortsetzung seines Blogs wünschen.

  6. @ Thomas Albrecht
    Diese präzise, allgemein verständliche und sicherlich juristisch korrekte Definition von Öffentlichkeit und Nichtöffentlichkeit
    sollte eigentlich jeden überzeugen, der sinnerfassend lesen kann.

    Die Kommentare von “blogoli” und “tetrapanax” sind so treffend, dass ich mich dem inhaltlich nur voll anschließen kann.

    Bleibt mir als Anerkennung nur die Erkenntnis, dass es nicht nur in Sizilien mutige Staatsanwälte gibt.

  7. @alle
    Ich danke für den Zuspruch, vor allem auch von denen, die nicht meine politische Überzeugung teilen. Das zeugt von gutem demokratischen Verständnis.

  8. Aus irgendeinem Grund ist Deutschland auf dem Weg zu einer Gesellschaft, in der sich niemand mehr traut, seine Meinung zu sagen.

    Für mich sind Weblogs eine hervorragende Möglichkeit, dieser Entwicklung entgegenzuwirken. Viele Fakten werden gar nicht aufgedeckt, einfach weil sie nicht kommuniziert werden.

    Gerade die öffentliche Verwaltung und die Kommunalpolitik muss noch viel um Umgang mit dem Internet und der Meinungsfreiheit lernen.

    Auch der Presse möchte ich an dieser Stelle einen Vorwurf machen. Eigentlich sollte es das Bestreben der Presse sein, so viele Informationen wie möglich zu veröffentlichen. Geht es um Kommunalpolitik, werden aber oft Abstriche gemacht. “Man will es sich ja nicht mit der Verwaltung/dem OB/ dem Bürgermeister verscherzen”.

  9. Hallo, Herr Albrecht, auch von mir ein “Weiter so” – und an die übrigen Stadtratsfraktionen die Aufforderung, den Hintern zu lupfen und selbst via eigenem Blog in die Debatte einzutreten, statt hintenrum zu stänkern.

  10. Auch der TV sollte aufhören zu stänkern:

    “Die Diskussionen der nächsten Bauausschuss-Sitzung können Interessierte daher wohl direkt miterleben – auch ohne Albrechts CDU-Filter.” Dies schreibt Christiane Wolf in der heutigen Ausgabe des TV auf Seite 11.

    Ja bin ich den nicht mündig genug, mir gerade mit einer pointierten Berichterstattung selbst meine eigenen Meinung bilden zu können?

    So hat der Bericht von Frau Wolf ja auch ein Filter: Mindestens das Filter ihres Arbeitgebers TV (siehe obiges Zitat).

  11. Wohl wahr, augur. Auch, wenn ich mit Herrn Albrecht nur in wenigen Sachfragen übereinstimmen mag, ist es ja keineswegs seine Schuld, wenn andere die gebotenen Möglichkeiten nicht selbst nutzen. Immerhin zeigt er hier – natürlich parteipolitisch gefärbt – Flagge, während andere nicht mal mit dem weißen Fähnchen winken und sich stattdessen als Heckenschützen betätigen.

  12. …eh ich’s vergesse…

    Interessant wäre natürlich, in welchem Ausmaß das Sperrfeuer gerade aus den eigenen Reihen kommt.

Kommentare sind geschlossen.