Christ – Jurist – Krieg und Frieden

CHRIST:

»Der Krieg muss aufhören!«

JURIST

»Der Krieg muss aufhören!«

CHRIST

»So geht es nicht weiter! Das Morden muss beendet werden. Es gibt nur einen Ausweg:  Selenskyj muss jetzt die Waffen strecken und die weiße Fahne hissen. So schwer mir diese Aussage auch fällt. Nur auf diese Weise lässt sich weiteres Sterben verhindern. Mag es auch traurig und vielleicht brutal klingen, leider gibt es derzeit keine andere Möglichkeit.

Ich bin in der evangelischen Pfadfinderbewegung groß geworden. Schon als Jugendlicher habe ich gegen den Vietnamkrieg demonstriert. Auch damals gab es die Diskussion, wie man sich gegenüber dem Osten verhalten soll: Konfrontation oder Versöhnung. Ich war seinerzeit ganz begeistert von der Friedenspolitik der sozial -liberalen Koalition und bin aus diesem Grunde in die FDP eingetreten. Sehr zum Leidwesen meines konservativen Vaters, mit dem ich damals über den Umgang mit dem Warschauer Pakt heftig gestritten habe. Die jüngste Geschichte hat doch deutlich bewiesen, dass es richtig war, den kalten Krieg zu beenden und die Versöhnungspolitik der einzig wahre Weg war. Ich denke nur an die Wiedervereinigung. Seit Jahrzehnten leben wir in Wohlstand und Frieden. Rückschläge – wie jetzt – sind zwar schrecklich, kann man aber offenbar leider nicht verhindern. Die große Linie muss stimmen.«

JURIST

»Was redest Du da für einen schlimmen Unsinn! Ich kann mir das nicht anhören! Das Recht darf dem Unrecht nicht weichen! Ich habe 40 Jahre lang beruflich Verbrecher verfolgt und weiß: Brutalen Mördern kann man nur mit Härte begegnen. Klare Kante zeigen!

Was denkst Du Traumtänzer denn, was mit unserem Rechtsstaat passieren würde, wenn man Rechtsbrechern auch nur im Ansatz nachgeben würde? Es wäre das Ende des Rechtsstaates, ein totales Chaos würde ausbrechen! Wir brauchen einen starken, wehrhaften Rechtsstaat, um diejenigen abzuschrecken, die sich nicht an die Regeln halten wollen.

Diese Erkenntnis war einer der Gründe, warum ich vor 25 Jahren in die CDU eingetreten bin. Sie tritt konsequent für einen wehrhaften Rechtsstaat ein.

Mit ihrem heldenhaften Widerstand unterstützen die Ukrainer doch letztlich auch uns, die wir im Wohlstand im Westen leben: Sie zeigen Putin seine Grenzen auf, opfern für uns ihr Leben. Er ist doch jetzt schon geschwächt. Darüber können doch seine polemischen, falschen Reden nicht hinwegtäuschen. Und was machen wir? Wir lassen die ukrainischen Heroen im Regen stehen, weil wir Angst haben, dass unser Wohlstand angeknappert werden könnte. Das ist einfach widerlich!«

C: »Du kannst doch Beruf und Politik nicht miteinander vergleichen. Du setzt Äpfel mit Birnen gleich. Wir sind in der Weltpolitik. Da muss man mit anderen Maßstäben messen. Ich gebe zu: Putin ist ein brutaler Diktator. Jetzt er aber zu einem verwundeten Raubtier geworden. Angeschlagen, aber niemals bereit aufzugeben. Brandgefährlich. Wenn wir jetzt noch Salz in seine Wunde streuen und ihn weiter provozieren, wird er noch brutaler werden. Noch mehr Menschen werden dann sterben. Auch wir selbst sind dann in akuter Gefahr. Vergiss nicht, er hat jede Menge Atom- und andere schreckliche, todbringende Waffen. Allein schon das Wort ›Hyperschallrakete‹ lässt einen erschauern. Realität gewordene Science-Fiction. Die Ukraine ist unausweichlich früher oder später ohnehin verloren. Das ist nur eine Frage der Zeit! Jedem ist das klar!«

J: »Erstens ist das so klar noch gar nicht. Zum Glück. Und zweitens, was wird geschehen, wenn Putin gewonnen hat? Er wird sich das nächste Land vornehmen, die Republik Moldau beispielsweise und dann das Baltikum und dann das nächste Land und so weiter. Irgendwann sind wir dran! Das hatten wir doch schon mal. Du bist 1956 geboren, kennst den Krieg nicht mehr. Aber von Deinen Eltern solltest Du das wissen. Despoten kenne nur sich und wollen die unbegrenzte Macht über andere. Wenn man sie nicht mit Gewalt aufhält, wüten sie unaufhaltsam weiter.«

C: »Da siehst Du etwas völlig falsch! Sicher muss man Putin in seine Schranken weisen, die rote Linie definieren, die nicht überschritten werden darf. Aber die ist noch nicht erreicht. Der Westen hat sie mit definiert, indem er postulierte, die NATO mische sich in militärische Konflikte in der Ukraine nicht ein. Das war auch richtig völlig so.

Deshalb: So bedauerlich es für die Ukrainer auch ist. Keine Waffenlieferungen, war die einzig richtige Entscheidung, um eine nicht mehr zu beherrschende Eskalation zu verhindern. Woher kommt denn Deine These, dass Putin nicht aufhören wird? Hat er ist einmal die Ukrainer erobert, muss er dieses große Land doch irgendwie weiter verwalten. Das kostet ungeheure Kräfte und sehr viel Geld, dass er eigentlich gar nicht hat. Das kann Russland auf die Dauer nicht stemmen. Das hat beispielsweise Afghanistan gezeigt. Ich bin auch 56er Jahrgang und was habe ich in der Nachkriegszeit gelernt? Wir brauchen Geduld. Mahatma Gandhi, Martin Luther King und andere, wie die wirklichen Helden der Neuzeit alle heißen mögen, haben es deutlich bewiesen. Nur gewaltloser Widerstand ist der richtige Weg gegen das scheinbar übermächtige Böse. So steht es auch im neuen Testament.»

J: »Ja, ja, Matthäus 5, Vers 39: ›Leistet dem, der euch etwas Böses antut, keinen Widerstand, sondern wenn Dich einer auf die rechte Wange schlägt, dann halt ihm auch die andere hin.‹ …. Träume weiter, mein Lieber! Dabei solltest Du doch jetzt endlich gemerkt haben, in welchem Wolkenkuckucksheim Du bislang gelebt hast!

C: »Seit meiner Kindheit war ich in der Kirche engagiert. Mein damaliger Pfarrer meinte nach dem Abitur, ich solle unbedingt Pfarrer werden. 23 Jahre war ich im Presbyterium der evangelischen Kirchengemeinde in Trier tätig. Das alles soll ich mit einem Schlag über Bord werfen, nur weil ein Despot durchgedreht ist?«

J: »Überbordwerfen nicht, aber vielleicht überdenken? Deine Worte sind mir noch im Ohr! ›Warum sollte Putin denn die Ukraine überfallen?‹, hast Du noch vor gar nicht so langer Zeit gefragt. Der Jurist hat Dir schon immer die Fakten dagegengehalten. Die Erkenntnisse des amerikanischen Geheimdienstes oder das, was Putin selbst über sein abstruses Selbstverständnis zu der Ukraine geschrieben hat. Du hast es einfach nicht wahrhaben wollen, weil es unbequem für Dich war. Denn Du hast ja ganz gut gelebt in der Zeit. Stell‘ Dir vor, man hätte von Dir verlangt, auf einen Teil Deines Geldes zu verzichten, um die Abhängigkeit von russischem Gas und Öl zu verringern oder die Bundeswehr aufzurüsten.

C: »Niemals wäre ich früher für eine Erhöhung des Wehr-Etas gewesen!«

J: »Siehst Du! Ebenso wie die ganz überwiegende Mehrheit unserer Bevölkerung hättest Du derlei Ansinnen empört zurückgewiesen. Auch Dein Pelz sollte zwar gewaschen aber dabei nicht nass werden!

Und heute: Willkommen in der Realität! Nur haben wir zwischenzeitlich viel, sehr viel wertvolle Zeit verloren! Haben unseren eigenen Schutz vernachlässigt, unsere Bundeswehr veröden lassen, uns von Russland bei Gas und Öl abhängig gemacht, sodass wir jetzt stranguliert werden können! Es war ja so bequem!«

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C: »Moment:  Ich war ja immer schon skeptisch, was sie Pipeline ›Nordstream 2‹ anbetrifft. Du hast das als ›freie Marktwirtschaft‹ verniedlicht! Du bist doch keinen Deut besser. Jetzt echauffiere Dich doch nicht künstlich. Du hast Dich über den Wohlstand immer gefreut. ›Die Wirtschaft muss arbeiten können!‹, hast Du immer gesagt.

Ich gebe ja zu, dass ich mich in der Einschätzung der Lage brutal geirrt habe. Wie so viele, viele andere auch! Und es hat mich bis ins Mark getroffen, dass das Unvorstellbare Wirklichkeit wurde. Wir müssen sicher Einiges, was bisher verabsäumt wurde, nachholen. Das ist die große Gemeinschaftsaufgabe für später. Doch heißt das für mich nicht, dass wir jetzt noch weiter an der Eskalationsschraube drehen dürfen. Ganz im Gegenteil, das macht es nur noch fürchterlicher. Wir haben alle Fehler gemacht und dürfen die in der jetzigen emotionalen Aufgewühltheit nicht noch verschlimmern! Unsere pazifistische Grundeinstellung dürfen wir nicht aufgeben!«

J: »Ich sehe, wir kommen nicht zusammen!«

C: »Nein, wir kommen nicht zusammen! «

J: » Wir sollten im Gespräch bleiben!«

C: »Ja, wir sollten im Gespräch bleiben!«

Ich wache auf. Während ich mit mir ringe, sterben anderswo unschuldige Menschen.