Es ist schon ein etwas seltsames Ritual, das sich an jedem ersten Sonntag im neuen Jahr abspielt. 11.00 Uhr morgens: Von allen Seiten strömen Menschen vom Augustinerhof in den Rathaussaal, um sich – nachdem sie von Protokollchefin Ruth Mereien begrüßt wurden – in eine lange Schlange einzureihen. Dort warten der Oberbürgermeister nebst Gattin, um die Neujahrswünsche von solchen, die wichtig in der Stadt sind, bzw. sich für wichtig halten (so genau lässt sich das nicht unterscheiden), entgegen zu nehmen und zu erwidern. (Der Fairness halber muss natürlich ergänzt werden, dass jedes Jahr auch Bürgerinnen und Bürger, die nach einem Zufallsprinzip ausgewählt werden, eingeladen sind).
Dann die Neujahrsansprache des OB, es ist die 18. wie er zu Beginn erwähnt, in der auf das vergangene Jahr zurückgeblickt wird. Das Erreichte wird aufgelistet, die kommenden Herausforderungen dargestellt. Auch das wiederholt sich jährlich: Der Hinweis auf die desolate Finanzlage („Wir haben ein Ausgabenproblem“), insbesondere auf die Zumutungen, die durch die Gesetzgebung von Bund und Land einer armem Kommune wie Trier auferlegt werden. Die Anwesenden denken, dass diese Feststellung wohl auch in 20 Jahren noch getroffen werden wird. Immer wieder ein erfreulicher Anblick: Jetzt ziehen die Sternsinger ein. Hat man das „Gloria“ kräftig mitgeschmettert und seinen Obulus für die Ärmsten in der Welt entrichtet, wird einem ein Glas Wein von einer freundlichen Rathausangestellten in die Hand gedrückt mit dem dann herumzieht, und jedem Anwesend ein „gutes Neues“ wünscht, immer von der Angst angetrieben, bloß niemand zu vergessen! Eine längere Konversation ist so unmöglich. Und immer wieder passiert es im Eifer des Gefechts, dass man jemanden mehrfach „Alles Gute“ wünscht- aber schaden kann es ja nicht!
Alles kommt einem bekannt vor. Haben wird jetzt 2000 – 2004 oder 2007? Ist es nicht nur ein paar Tage her, als wir zum gleichen Anlass hier zusammen standen? Ein Déjà vu-Erlebnis der realen Art, nicht wie im Kino. „Und ewig grüßt das Murmeltier“! Ewig?
Am Ende der OB-Rede wird einem bewusst, dass nichts ewig ist, sich die Erde doch weiter dreht:
Helmut Schröer spricht von den Malediven, auf die er sich zurückziehen will, ein Synonym für das Ende seiner Amtszeit, das er in den letzten Monaten ständig gebraucht hat. („Das interessiert mich nicht mehr – dann bin ich auf den Malediven“) Man sieht ihm an, wie bewegt er ist, als der darauf hinweist, dass dies seine letzte Neujahrsansprache ist und schelmisch weiter ausführt: „Was macht der OB im Ruhestand?“ sei die entscheidende Frage, die am Anfang des Jahres gestellt werde. Er beantwortet sie gleich, wenn auch sehr ungenau und weist darauf hin, dass er – entgegen aller Spekulationen, die aufgrund seiner bekannten Umtriebigkeit angestellt werden – er das Wort Ruhestand ernst nehmen will. Selbstbewusst behauptet er, in der Lage zu sein, auch weniger arbeiten zu können.
Langanhaltender Beifall für Schröer am Ende als Ausdruck der Sympathie, die ihm von allen entgegengebracht wird.
Und in erster Reihe, gleich neben seiner Ehefrau Minsterin Malu Dreyer, steht der Neue im Wartestand: Der künftige OB Klaus Jensen, flankiert von SPD Fraktionsvorsitzenden Jäger.
Nach der Rede seines Vorgängers geht es selbstbewusst durch die Reihen und begrüßt jeden Gast mit einem kurzen “Small-Talk”. Ich bin da, der Neue. Demonstrativ nimmt er Ulrich Holkenbrink bei der Begrüßung in den Arm und verdeutlicht damit, dass die Zeiten der Auseinandersetzung vorbei sind. Jetzt muss gemeinsam für Trier gearbeitet werden, heißt die Botschaft, der sich auch CDU Fraktionsvorsitzender Berti Adams angeschlossen hat und als einer der ersten Jensen begrüßt hatte. Alle spüren es: Eine neue Ära ist angebrochen, das Jahr 2007 beginnt, der Zeiger der Uhr von Triers Geschichte hat sich weiter bewegt.
Ich bin gespannt auf das Kommende.