Ein alter Mann. Er hatte den letzten Abschnitts seines erfüllten Lebens erreicht. Vom Alter und Krankheit gezeichnet. Seine Kräfte hatten ihn verlassen. Sein Körper war nicht mehr in der Lage, sich selbst zu helfen. Er war auf die Hilfe anderer angewiesen. Pflegebedürftig, so nennt man das. Seine Angehörigen, die ihn immer aufopfernd versorgt hatte, benötigten etwas Erholung. Aus diesem Grunde kam er für einige Zeit in die Kurzzeitpflege im Evangelischen Elisabeth-Krankenhaus, um dort betreut zu werden.
So musste dieser alte Mann für ein paar Wochen seine gewohnte Umgebung verlassen, und sich auf ihm fremde Personen einlassen. Dabei waren sein zu Hause und seine Angehörigen, alles, was sein Leben noch stützen konnte.
Er reagierte auf diese, für ihn kaum zu ertragende Situation, auf seine Art und Weise: Mit mehr als einem stummen Protest. Er verweigerte jede Kommunikation mit jedem.
Er blieb stumm, redete kein Wort. Ja noch mehr, er ließ keine Gefühlsregung erkennen, so rührend die Ansprache auch war. Nicht einmal ein Kopfnicken oder ein kleiner Blick.
Die Situation war auch für die Pflegenden nicht so einfach. Jeder, der sich um einen anderen Menschen kümmert, benötigt eine Reaktion, ein Feedback, sagt man heute: „Mache ich es richtig? Fehlt irgendetwas?”
Doch von diesem Mann gab es auf solche Fragen keine Antworten. Kein Wort kam über seine Lippen. Niemals.
Bis zu diesem Adventssamstag, der anders war als die vorangegangen Tage.
Aus den Fluren des Krankenhauses, in denen normalerweise außer geschäftigen Hin- und Herlaufen nur wenig zu hören ist, war plötzlich Außergewöhnliches wahrzunehmen:
„Tochter Zion, freue Dich”, hallte es durch die Räume. Ein Chor, der von Station zu Station zog und Kranke wie Mitarbeitende mit Adventsmusik erfreuen wollte.
„Sieh’, Dein König kommt zu Dir!” klang es in den Ohren des greisen Mannes. „Ja, er kommt der Friedenfürst”
Es war eine ihm offenbar sehr vertraute Musik, Klänge, denen er sich nicht verschließen konnte. Und auf einmal, zum ersten Mal, seit er sich hier befand, war eine Gefühlsregung bei ihm wahrzunehmen: Tränen liefen über sein Gesicht. Die Anwesenden konnten es nicht fassen. Und nicht nur das: Der alte Mann fand plötzlich wieder zu seiner Sprache, er redete. Fortan konnte man sich wieder mit ihm unterhalten.
Dies ist keine erfundene Geschichte. Sie spielte sich genauso ab, als die Kantorei der Evangelischen Kirchengemeinde ihr traditionelles Weihnachtssingen im Krankenhaus durchführte und auch die Kurzzeitpflege besiuchte. Ich erzählte sie auf der Weihnachtsfeier des Elisabeth-Krankenhauses letztes Jahr .
Für mich eine Antwort auf die Frage, warum sich Kirche eigentlich mit einem Krankenhaus beschäftigt, warum auch ich mich in den letzten Wochen in meiner Freizeit fast ausschließlich mit dem Evangelischen Elisabeth-Krankenhaus befasst habe.
2 Gedanken zu „Ende des Schweigens“
Hmm, da habe ich als Jugendlicher auch regelmäßig gesungen. Mit den Pfadfindern.
Das kann man weiterführen: Warum leistet sich die evangelische Kirchengemeinde die Beteiligung an einem Gymnasium und worin unterscheidet sich dies bis auf die Tatsache, dass der Besuch die Schüler(innen) bzw. deren Eltern mindestens 142,- Euro Schulgeld im Monat kostet? Sprachlos macht mich da einiges…
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