Ein gutes Beispiel dafür, was für ein fundamentale Unterschied zwischen der Verwirklichung eines privaten und eines öffentlichen Bauvorhabens besteht, zeigte sich heute beim Richtfest der Trier-Galerie.
Es soll kein Vorwurf damit verbunden, sondern eine Feststellung sein: Im öffentlichen Raum wird geplant, beraten, wieder verworfen, neue Varianten beraten, und so weiter. Ein geplanter Baubeginn ist grundsätzlich nur ein ganz grober Anhaltspunkt, der sich auch schon einmal um Jahre herausheben kann, wie viele Projekte gezeigt haben.
So verwunderte es auch nicht, dass Oberbürgermeister Klaus Jensen in seiner Ansprache darauf verwies, dass die Trier Galerie voraussichtlich am 4. September eröffnet wird. Dies rief den heftigen Widerspruch des für den Bau verantwortlichen Generalunternehmers Ludwig Pöttinger aus München hervor. Er betonte vor den circa 300 anwesenden Gästen, dass für ihn der Fertigstellungstermin bedeutet, dass genau zu diesem Zeitpunkt das Einkaufszentrum auch fertig ist. Der Druck der freien Marktwirtschaft bewirkt offenbar doch Einiges.
Es wird dann dort etwa 75 Läden mit einer Gesamtfläche von rund 20.000 m² geben. Entgegen allen Unkenrufen, die im Vorfeld das Projekt schlecht reden wollten, sieht es bei dem Vermietungsstand sehr gut aus: Bereits 90% der Flächen sind vermietet. Die für die Vermietung zuständige Verantwortliche bei der Firma Trigon Antje Rebbert geht davon aus, dass bis zum Herbst jeder Laden vermietet ist.
Oberbürgermeister Klaus Jensen lobte in seiner Ansprache das Projekt und bezeichnete es als wertvollen Beitrag zur Stärkung des Wirtschaftsstandortes von Trier. Er beruhigte alle diejenigen, die Konkurrenz durch das neue Einkaufszentrum fürchten. Trier wird hierdurch belebt werden, alle davon profitieren.
Ein erster Rundgang durch den Rohbau offenbarte schon jetzt, was den Besucher künftig erwarten wird. Ein erster Laden war schon probeweise eingerichtet. Ab Herbst des Jahres wird also ein Hauch von Großstadtflair über der Stadt Trier wehen.
Bis jetzt haben die Arbeitnehmer im Raume Trier offenbar nur teilweise von dem Projekt profitiert: Wenn Generalunternehmer Pöttinger sich in einer Vielzahl von Sprachen, darunter polnisch, kroatisch und türkisch sich bei den Arbeitnehmern für die bisher geleistete, harte Arbeit bedankte, so kann man erahnen, dass nur ein Bruchteil der Beschäftigten aus dem Raume Trier stammt.
11 Gedanken zu „Trier-Galerie: Bald Großstadtflair in Trier!“
Wie ich heute noch irgendwo gelesen habe, liegt Trier damit voll im Trend, denn Einkaufszentren dieser Art entstehen gerade allerorten. Allerdings hoffe ich, dass es uns nicht eines Tages so ergeht wie bspw. Teneriffa. Dort entstand zu Beginn des Jahrtausends ein Einkaufszentrum nach dem anderen und man konnte schon als Tourist beinahe mitverfolgen, wie sich ältere Einkaufszentren wieder leerten.
Roland, um das zu sehen, musst du nicht als Tourist nach Spanien reisen. Obige Ankündigung erinnert mich fatal an die Berichterstattung über die Eröffnung der Treveris-Passage, die ja auch schon ein Meilenstein in der Stadtentwicklung war. Treveris-Passage, Alleen-Center, Trier-Galerie… da frage ich mich, sind Triers Volksvertreter eigentlich überhaupt nicht lernfähig? In dem Satz “ein Hauch von Großstadtflair über der Stadt Trier” offenbart sich das ganze provinzielle Denken derjenigen, die glauben, Großstadt bedeute, möglichst viele Einkaufspassagen zu beherbergen. Von wegen Unkenrufe.
Ich hoffe für meine Heimatsstadt nicht, dass es so kommt, wie in anderen Städten vergleichbarer Größe und Struktur, wo fette Einkaufscenter gebaut wurden und die Fenster jedes dritten Geschäfts in der Innenstadt jetzt vernagelt sind. In den Läden dazwischen sind dann Ein-Euro-Ramsch-Läden. Ein gewisser Trend zeigt sich ja schon seit einiger Zeit auch in Trier. Wenn ich alteingesessener Einzelhändler in Trier wäre und die Stadt kann sich glücklich schätzen, dass es derer noch einige gibt, denen ihre Statdt am Herzen liegt und die sich engagieren, würde ich meinen Budick dichtmachen und dem Stadtrat einen Brief mit einem bekannten Zitat des letzten sächsischen Königs schicken.
@Ernst
“sind Triers Volksvertreter eigentlich überhaupt nicht lernfähig?” — Da scheint ja wohl ein grundelgendes Missverständnis zu bestehen. Die Idee, eine Trier-Galerie zu errichten stammt nicht vom Stadtrat, sondern von einem privaten investor, der glaubt damit Geld verdienen zu können. Noch leben wir ja in einer freien Marktwirtschaft.
Ich komme gerade vom Wochenend-Trip nach London zurück und behaupte einfach mal: Die einzige Weltstadt in der EU ist London. Da können Paris, Berlin, Rom ganz einfach einpacken. Deshalb würde ich mal von dieser “Großstadt-Diskussion” abrücken. Ich finde, unser Städtchen ist ein herrliches Provinz-Oberzentrum mit ausgeprägten Erholungs- und Kultur-Alleinstellungsmerkmalen. Ich sehe es einfach so: Das Glas ist halbvoll, wir können aber noch etwas nachschütten – dazu zählt die Trier-Galerie. Ob die sich langfristig durchsetzt wird die Zukunft zeigen. Ich denke auch, dass der Markt derzeit da ist, weil in der Region sehr viel Geld verdient wird.
Um Trier jedoch noch stärker nach vorne zu bringen müssen zwei Dinge geklärt werden:
a) die Verkehrssituation muss verbessert werden (Moselaufstieg etc….)
b) das Marketing muss massiv verbessert werden. Ist doch seltsam, wenn auf dem Flughafen Hahn Plakate mit der Aufschrift “Willkommen in Hessen” hängen.
Damit beziehe ich mich nicht (nur) auf den Entstehungsprozess genannter Glanzpunkte Triers, die natürlich samt und sonders dem freien Spiel der Kräfte entsprangen, ohne jegliches Zutun und Einfluss der Politik… Sondern vor allem auf die Lobhudeleien und die ziemlich unkritische Sicht auf solche Projekte und die möglichen Folgen für die Stadt. Wenn es solche Projekte sind, die das Flair oder meinetwegen auch Großstadt-Flair Triers ausmachen, dann komme ich nicht mehr nach Trier einkaufen, das kann ich dann besser in den umliegenden, echten Großstädten.
@ Thomas Albrecht
Da ist mir beim Schmökern in Ihrem Blog doch folgende Passage aufgefallen: “Die meisten tatsächlichen Schlüsselentscheidungen, wie Verabschiedung des Haushaltes; Sanierung des Südbades; Bau der Trier-Galerie usw. sind im Übrigen stets mit großer Mehrheit – meist unter Beteiligung der SPD – getroffen worden! Dies sollte niemals vergessen werden!” Zu finden hier: http://albrecht-thomas.blog.volksfreund.de/p134.html
Der Stadtrat scheint sich ja doch ins freie Spiel der marktwirtschaftlichen Kräfte eingemischt zu haben.
Im Übrigen hoffe ich nicht, dass in Trier jeder private Investor das tun darf, womit er glaubt, Geld verdienen zu können.
Ich muß Ernst hier völlig recht geben und möchte nur noch hinzufügen, daß gigantische Einkaufszentren in der Innenstadt mit ihrer international austauschbaren Architektur (innen wie außen) den Charakter und das kleinräumliche Gefüge einer Stadt sukzessiv zerstören. Großstadtflair entsteht nicht durch Großprojekte, auch wenn das immer gerne behauptet wird.
Als hätte Trier nicht schon genug Bausünden dieser Art…
Es scheint, als wären manche Trierer immer noch nicht über den Verlust des Weltstadt-Status hinweggekommen, auch wenn der Abstieg jetzt etwa 1600 Jahre her ist.
“… eine erwünschte städtebauliche Aufwertung in den Straßenzügen Sichelstraße / Rindertanzstraße konnte bisher nicht realisiert werden.”
Dieses Zitat aus dem Stadtentwicklungskonzept belegt, dass die angeblich sooooooo vorteilhaften Wirkungen des Alleencenters offensichtlich ausgeblieben sind, glaubte man bei der Stadt doch lange an eine ominöse Einzelhandelsschiene zwischen dem Alleencenter und der Simeonstraße.
Sobald ein Investor mit Millionen winkt, leiden die Trierer Volksvertreter unter einem ähnlichen Verlust an Denkvermögen, wie man ihn Männern im Zustand hoher sexueller Erregung nachsagt.
Hier einige weitere “Erfolge”:
– die alte Treviris: abgerissen und gegen ein erfolgloses Konzept ersetzt! (war der planende Architekt seinerzeit nicht zufällig im Stadtrat?
– das wunderschön gelegene alte Parkhotel Bürgerverein wurde ersetzt durch das, was da jetzt um die Europahalle herum ist. Architekt der Europahalle: siehe oben
Der Treppenwitz: auch damals kam der Investor (Treviris) aus München
– die Jugendstilhäuser der Jüdemerstraße wurden durch ein wunderschönes Bankgebäude ersetzt; die Jüdemerstraße existiert nicht mehr!
– das Haus Schieffer mit dem Astoria, ersetzt durch ein hässliches Kaufhaus
– die alten Gebäude in der Fleischstraße wurden ersetzt durch ein hässlisches Kaufhausding, das Wort “Gebäude” ist unangebracht.
– das wunderschöne alte Hotel Porta Nigra, … den Neubau mag man gar nicht erst beschreiben
Und der Erfolg: alteingesessene Trier Geschäfte verschwinden, es geht noch mehr an Identität und Kultur verloren!
hey f:
Du hast ja stellenweise Recht. Aber man muss auch feststellen, dass es auch “alteingesessene” Trierer Händler gibt, die seit 30 Jahren nix mehr in ihren Geschäften gemacht haben. Ich will jetzt keine Namen nennen. Aber das sind genau diejenigen, die ständig herumjammern und die Ortsvorsteher zur Durchsetzung ihrer Interessen impfen wollen. 30 Jahre lang nix im Laden verändert, dafür aber 30 Jahre Parteimitglied und dafür den Anspruch, jede Maßnahme, die ihr Geschäft irgendwie tangieren könnte blockieren zu wollen.
Ich gehe zum Beispiel lieber in eine Ketten-Geschäft als in ein “alt eingesessenes” Trierer Geschäft, das innen drin aussieht wie ein Museum und dementsprechend riecht. Da müssen sich manche Trierer auch mal an die Nase packen. Geschäftsmann zu sein heißt nicht nur jeden Abend die Kasse zu machen, sondern sich ständig darum zu bemühen, die Kunden zu befriedigen. Aber genau diese Klientel meint, eine gewisse Ratsfraktion würde sie ohnehin schützen. Damit muss Schluss sein!
übrigens gibt es in der Schneise zum Allencenter ein neues Geschäft einer Triererin, das ansprechend aufgemacht ist und erfolgreich ist: Zuppa
@Viezpitter
wenn Unternehmungen sich nicht anpassen können, soll (und muss!) der Markt das auch bestrafen, aber dort, wo zugunsten großer Projekte abgerissen wird, kann es halt keine kleinen Geschäfte mehr geben. Es muss die kleinen alten Gebäude geben, in denen sich (wie in GB und Irland) die kleinen Geschäfte auch halten können, auch wenn diese nicht so wahnsinnig gewinnbringend arbeiten. In den Straßen mit älteren Gebäuden funktioniert es ja auch ganz gut(Grabenstraße, Sternstraße, Dietrichstraße, Nagelstraße).
Ich bin als Kind, von der Mosel kommend, durch die Jakobstraße zum Hauptmarkt gegangen. Wenn ich jetzt das hingek-tzte Ensemble an der Treviris sehe, wird mir ganz elend.
Es geht mir nicht um die Bewahrung unrentabler Geschäfte, es geht mir um meine Heimatstadt!
Ich war schon gelegentlich in den USA. Sehr schön! Aber wenn ich dann wieder in Trier bin, freue ich mich über jeden alten Stein. Was in den USA aus historischen Gründen fehlt, dürfen wir nicht aus falsch verstandenem Modernitätsdrang gefährden.
Trier lebt von seiner Geschichte!
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