Im Zentrum der Macht

Ein Bericht über diejenigen, die berichten

Mir ist es vergönnt, einen Einblick in das Allerheiligste des Trierischen Volksfreundes nehmen zu dürfen, dem Zentrum der Macht.

Klingt übertrieben? Ist es nicht, jedenfalls nur ein wenig. Nicht ohne Grund wird die Presse als vierte Gewalt im Staat beschrieben. Wer anderes behauptet, ist noch nie von der Presse auf’s Korn genommen worden.  Und der Umstand, dass der TV das einzige tagesaktuelle Print-Medium im Trierer Raum ist, gibt ihm noch einmal eine ganz besondere Stellung.

Chef-Reporter Rolf Seydewitz empfängt mich freundlich im Foyer des Volksfreund-Hauses. Redakteur Hans-Peter Linz zeigt mir die gewaltige Druckmaschinerie. Überdimensionale Papierrollen lagern in riesigen Hallen, die dann abends in monströse Druckmaschinen, 2 bis 3 Stockwerke groß, eingespannt werden. Am Abend werden zuerst die Ausgaben gedruckt, die weit weg gesandt wird, zum Schluss die Trierer Ausgabe, die so sehr aktuell gehalten werden kann. Am Morgen ist selbstverständlich noch alles ruhig. Man kann sich vorstellen, was hier los ist, wenn die riesigen Druckmaschinen anlaufen. Ich bin von der ganzen Technik beeindruckt.

Dann führt man mich in den ersten Stock, zunächst zu den Büros von Chef-Reporter Rolf Seydewitz und dem leitende Redakteur Dieter Lintz. Man merkt es gleich, zwei wichtige Leute.

Was der Unterschied zwischen einem Chef-Reporter und einem leitenden Redakteur ist, erschließt sich mir nicht. Ich habe den Eindruck, den Beteiligten auch nicht, was aber wohl nicht weiter von Bedeutung ist. Betrachtet man die Volksfreund-Redakteure als Mannschaft, so sind die beiden die Libero, die über das schreiben dürfen, was ihnen wichtig erscheint. Anderen sind feste Position zugeordnet, beispielsweise der Sport, die Kultur, Lokales, wie dem Chef der Lokalredaktion Trier, Jörg Pistorius, von dessen vorbildlich aufgeräumten Büro so ein Schreibtisch-Chaot wie ich deutlich beeindruckt ist.

Viele Redakteure/innen und Mitarbeiter/innen haben eigene Büros oder teilen sich eines. Die meisten sitzen sich aber in einem Großraumbüro, dem eigentlichen Machtzentrum.

Es ist das Kontrollzentrum des Projekts „Tageszeitung für die Region Trier, Schnell und Aktuell”, was man abgekürzt “TASA” schreiben könnte.

Geschäftig und hektisch geht es hier zu.

In der Mitte ein Kreis von vier Schreibtischen mit Computern, die eigentliche Steuerungszentrale, sozusagen, das Herz des Systems. Dort sitzen Redakteure, wie der allen Twitterern bekannte Michael Schmitz („volksfreundchen“) oder Rainer Neubert und Layout-Experten. Drum herum gruppieren sich zahllose Schreibtische mit noch mehr Computern und Bildschirmen.

Alle Beteiligten haben die verantwortungsvolle Aufgabe, aus alle dem was (auf elektronischen Wege) hereinkommt, dem „Input”, das Produkt, das sind ein Dutzend regionale Ausgaben des Trierischen Volksfreundes herzustellen. Wie das funktioniert?

Überall in der region sitzen die Außenreporter, die die Meldungen zusammentragen, in Daun, Prüm, Bitburg, aber auch am Nikolaus-Koch-Platz in Trier.

Die Fäden laufen dann in der Hanns-Martin-Schleyer Straße zusammen, dort wird der Trierer und übrige Inhalt produziert und dann alles weiterverarbeitet und aufbereitet.

So müssen beispielsweise passenden Fotos aus den Bilddatenbanken gefunden werden, Texte gekürzt und auf Rechtschreibfehler kontrolliert werden, ja auch für diese Aufgabe gibt es Mitarbeiter.

Am Anfang erhalten die Blattmacher (fast) leere elektronische Formulare, das sind die Seiten, die im Laufe des Tages gefüllt werden müssen. Die Anzeigen sind bereits vorgegeben. Ohne sie geht es nicht, denn schließlich lebt die Zeitung zu einem erheblichen Teil hier von.

Die Wirtschaftskrise hat sich auch auf diesem Sektor bemerkbar gemacht, erfahre ich. Der Großteil der Einnahmen stammt übrigens von den Abonnenten. Vor allem Jüngere nutzen aber mehr und mehr Online Medien, sodass täglich um die Abonnenten gekämpft werden muss.

Am Vormittag zeichnen sich die schon die ersten Themen ab: In der Stadt Trier wird sich am nächsten Tag die Ampel-Koalition vorstellen, Dieter Linz arbeitet an einem Vorbericht. Er hat auch schon recherchiert und weiß bereits, dass es in der CDU unterschiedliche Meinungen dazu gibt, wie man mit der neuen Situation umgehen soll.

Ich selbst soll auch nicht nur so einfach rumstehen, sondern auch etwas arbeiten: Eine Blattkritik soll ich verfassen und dabei so richtig vom Leder ziehen, wird mir aufgetragen. Man drückt mir einen dicken Stapel aller Zeitungen des Verbreitungsgebiets in die Hände gedrückt und setzt mich vor einen Apple-Laptop. Ich kämpfe mehr mit den Tücken des für mich ungewohnten Systems zu tun, als dass ich zum Schreiben käme. Jedenfalls ziehe ich vom Leder so sehr ich kann und hoffe, dass die netten Leute, die ich kennen gelernt habe, nicht allzu eingeschnappt sind.

Mittags gibt es dann eine Konferenz, in der diese Kritik und vor allem natürlich die kommende Ausgabe besprochen werden.

Das Problem: Die Aktualität, ständig passiert ja etwas in Trier und der Restwelt.  Die Print-Ausgabe des TV ist deshalb nichts Statisches, sie verändert sich ständig.

Stolz zeigt mir Rolf Seydewitz, vier verschiedene Ausgaben eines TV vom selben Tag, dessen Titelblatt sich ständig veränderte, je mehr sich die traurige Dramatik um die verschwunden Tanja Gräff verdichtete.

Zurück zum Kontrollzentrum.

„Rainer – wir haben ein Problem!”, so etwas hört Chef-Koordinator Neubert öfter. Der Rheinland-Pfalz-Tag findet diesmal in Prüm statt, das muss natürlich an geeigneter Stelle platziert werden. Eine DPA Meldung: Den Kommunen brechen die Einnahmen weg, das muss ein Aufmacher werden! Wo ihn platzieren?

32 Seiten sind zu füllen. Die sind unterteilt in vier verschiedene, wie die Volksfreund-Macher es nennen, Bücher: Aufmacher-Seiten, Lokales, Sport, Kultur und Vermischtes. Nach und nach füllen sich die elektronischen Formulare mit Inhalten, die im Kontrollzentrum zusammenlaufen.

Natürlich bleibt auch das Kontrollzentrum nicht ohne Kontrolle.

Da gibt es natürlich vor allem die Chefredaktion, die alles überwacht, Controlling nennt man das ja heute. Chefredakteurin Isabell Funk ist in diesen Tagen nicht daran, aber ihr Stellvertreter Peter Reinhart begrüßt mich persönlich und nimmt mich zu einzelnen Besprechungen mit. Alexander Houben ist „Chef vom Dienst”. Auch hier erschließen sich die genauen Verantwortlichkeiten einem Außenstehenden nicht vollständig.

Und immer wieder gibt es Konferenzen, in denen Projekte besprochen werden. Für den Inhalt der Artikel selbst, das ist ganz wichtig, sind die einzelnen Redakteure jedoch selbst verantwortlich. Besprochenen diskutiert wird nur Grundsätzliches, etwa dass bei der Berichterstattung über Maxim Beck, dessen Persönlichkeitsinteresse gegen das Interesse der Öffentlichkeit auf Information sorgfältig abzuwägen ist, oder die Ausgestaltung der Überschriften.

Am späten Nachmittag deshalb noch einmal eine kurze Konferenz der wichtigsten Personen, in denen vor allem ein Augenmerk auf die Überschriften gelegt wird: Griffige Überschriften zu formulieren ist viel schwieriger als man denkt. Wie formuliert man es, dass die neue Ampelkoalition in Trier die Inhalte festgelegt hat, aber noch nicht die Dezernenten der Frage geklärt hat. „Die Kleidung ist fertig, aber die Träger fehlen noch” – oder aber „Das Dach ist fertig, die tragenden Wände fehlen noch”. Man hat sich für das Letztere entschieden. Beides nicht der Renner, aber man finde mal etwas Besseres. Dafür die Super-Überschrift auf der letzten Seite: „Top, die Wette stinkt!”, wird ein Bericht über mögliche Manipulationen bei der Fernsehsendung „Wetten Dass” tituliert.

Immer mehr Bedeutung kommt der Online-Redaktion zu: die ist auch im Großraumbüro untergebracht. Ab 6:00 Uhr morgens arbeiteten Joachim Engbrocks, Roland Grün, Miguel Castro und andere in mehreren Schichten an diesem Angebot, das vor allem Jüngere nutzen.

Um 16:30 Uhr verlasse ich das Zentrum der Macht, in dem natürlich noch lange keine Ruhe einkehren wird. Bis in die Abendstunden sind die Macher an dem Produkt Tageszeitung für die Region beschäftigt.

Mein Fazit: Die tägliche Zeitung zu produzieren ist viel schwieriger als man denkt. Moderne Zeitungsmacherei hat auch nicht mehr viel mit dem zu tun, was sich so gemeinhin unter Redaktionsarbeit vorstellt, ein Redakteure brüten über Berichte, schreiben sie nieder, dann werden sie ausgedruckt. Ein kompliziertes Zusammenarbeiten von vielen Mitwirkenden ist notwendig und das auch noch unter Zeitdruck, bis die Leserin/der Leser am Morgen das Produkt in den Händen halten kann. Gut, so schwierig wie auf den Mond zu fliegen ist die Aufgabe nicht, aber beinahe. Ich bin jedenfalls sehr froh, dass ich einen kurzen Blick hinter die Kulissen des Trierischen Volksfreundes werfen durfte.

5 Gedanken zu „Im Zentrum der Macht

  1. Es sieht schlecht aus bei den großen Zeitungen:

    “… weil die Anzeigen noch dramatischer eingebrochen sind als vorhergesehen, stehen beim Flaggschiff des überregionalen Zeitungsmarkts weitere Sparmaßnahmen an. Bereits zum Jahresanfang hatte die SWMH begonnen, bei der SZ mit relativ großzügigen Abfindungen Stellen in Verlag wie Redaktion abzubauen. Jetzt drohen nach Einschätzung von Mitarbeitern in München darüber hinaus Entlassungen.”

    http://www.taz.de/1/leben/medien/artikel/1/sueddeutsche-zeitung-auf-sparkurs/

  2. @Buerger Ich vermag nicht nachzuvollziehen, warum der Bericht Satire sein sollte. Ich wollte darstellen, dass es doch viel schwieriger ist, eine Zeitung herzustellen, als man sich das so gemeinhin vorstellt. Damit der Bericht nicht zu trocken wird, ist natürlich ein kleines Augenzwinkern, das mir hoffentlich verziehen wird, dabei.
    @augur Die Wirtschaftskrise wird in der Tat den Zeitungen zu schaffen machen. Die Auswirkungen hier bei uns in der Region sehe ich aber als nichts so gefährlich an, denn schließlich müssen diejenigen, die ihre Produkte verkaufen, auch auf sie aufmerksam machen. Und die allermeisten lesen – trotz Internet – immer noch die guten alten gedruckten Zeitungen.

  3. Liest man die Mediadaten des TV und dort unter “Reichweite” http://vcontent.volksfreund.de/ebooks/tv-mediadaten-09/#/5/ so wird es schon deutlich, dass die jungen Leser(innen) dem TV wegbrechen…

    Übrignes finde ich Ihren Bericht sehr schön zu lesen. Die Unterschiede übrigens bei den verschiedenen Führungspositionen innerhalb der Redaktion dürften nicht nur beim Büro liegen, sondern sicher auch bei der Höhe des Gehalts 😉

  4. @augur Auch meiner Meinung ein sehr interessanter Bericht über das, was sich bim TV so tut und wie gemacht wird. Ich war sehr angetan davon.

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