Mut und Zuversicht

Vor 50 Jahren wurde die neue jüdische Synagoge in der Kaiserstraße seiner Bestimmung übergeben, deren besonderes Kennzeichen die kleinen, dreieckigen, nach oben und unten gerichteten Fenster sind, die hoch oben an dem Gebäude Erinnerung an eine dunkle Vergangenheit und Mahnung für die Zukunft zugleich sind: Nie wieder sollte es in Trier möglich sein, dass Fanatiker und Verblendete Fensterscheiben einer Synagoge zerstören.
Die jüdische Kultusgemeinde in Trier mit ihrem Vorsitzenden Benz Botmann hatte aus Anlass des 50. Jahrestages der Einweihung zu einer Feierstunde in die Synagoge geladen, die von Rabbiner Gerald Rosenfeld geleitet wurde. Anschließend erinnerte die Stadt Trier an dieses besondere Ereignis im Stadttheater.

Beeindruckender Höhepunkt des Festaktes, der von Oberbürgermeister Klaus Jensen eröffnet wurde, war die Festansprache der Präsidentin des Zentralrates der Juden in Deutschland, Charlotte Knobloch. „Zwischen Hoffnung und Herausforderung“, hatte sie als Überschrift für ihren Vortrag gewählt.
Die Präsidentin, berichtete über das jüdische Leben in Deutschland. Sie schlug einen Bogen von der schrecklichen Vergangenheit über den Neuanfang nach dem Krieg bis heute.
Frau Knobloch wird gelegentlich nachgesagt, ihre Rhetorik sei nicht ganz so brillant, wie die ihrer Vorgänger. In Trier hat sie das Gegenteil bewiesen: Im großen Saal des Stadttheaters war kein Ton mehr zu hören, als sie das Wort ergriff. In aufmerksamer Stille verfolgten die zahlreichen Zuhörer jedes ihrer Worte, das sie mit leiser Stimme aussprach.
Man spürte es, dass diese beeindruckende Frau viel erlebt hatte. Die Im Jahr 1933 Geborene hatte den Holocaust als Kind nur deshalb überlebt, weil sie damals versteckt wurde. Als sie 10 Jahre alt war, wurde ihr Vater von der Gestapo fortgeschleppt.
Doch davon redete sie nicht. Sie sprach von der Tradition, der sie folgte, als Nachkomme vieler jüdischer Gemeindevorsteher, und sah dabei Gerd Vorenberg an, Ehrenvorsitzenden der Jüdischen Kultusgemeinde Trier und langjähriger Vorsteher in Trier, dessen Vater, Großvater und Urgroßvater ebenfalls solche Positionen inne hatten. Es sind solche Persönlichkeiten gewesen, wie auch der ebenfalls anwesende legendäre Dr. Heinz Kahn – Neugründer der jüdischen Gemeinde in Trier nach dem Krieg -, die trotz des Grauens der Nazi-Zeit die jahrhundertlange Tradition der Juden in Deutschland weiter bestehen ließen.
Ganze 14 Personen hatten sich damals zusammengefunden, um das jüdische Leben in Trier neu zu begründen. Sie müssen damals viel Mut und Zuversicht gehabt haben, wenn sie in Anbetracht dieser schrecklichen Ereignisse zur Nazizeit dieses Zeichen setzten.
Fast schien es nach einigen Jahren so, als seien ihre Bemühungen im Ergebnis erfolglos. Viele Gemeinden, so auch die in Trier, drohten auszusterben. Zu wenige Mitglieder hatten, keinen Nachwuchs. Doch dann kamen die jüdischen Zuwanderer aus der ehemaligen Sowjetunion. Die Zugezogenen sicherten das Fortbestehen der Gemeinde, sie veränderten aber auch das Gesicht der jüdischen Gemeinden. Denn die jüdischen Zuwanderer wurzelten in einer anderen Tradition. Der Wandel verlief dann wohl auch nicht immer ganz ohne Probleme, wie aus den leisen Zwischentönen sowohl der Rede von Herrn Vorenberg, als auch der von Frau Knobloch, herauszufühlen war. Aber das Wichtigste bleibt: Das Fortbestehen der jüdischen Gemeinden war gesichert.

Die Schrecken der Vergangenheiten sind lange her. Wir denken, das beträfe uns heute nicht mehr? Wir werden eines besseren belehrt: Auch heute noch ist die Bedrohung für unsere jüdischen Mitbürgerinnen und Mitbürger allgegenwärtig. Das beweisen nicht nur die Polizeibeamten, die zum Festakt vor der Synagoge stehen oder der Bodyguard, der Frau Knobloch nicht aus den Augen lässt. Nein, die Angst ist noch viel realer: Die Stimme versagt Frau Knobloch, als sie von dem Besuch am Krankenbett des 42jährigen Rabbiners berichtet, der am Freitag von einem Unbekannten mit einem Messer verletzt wurde. Er ist zum Glück außer Lebensgefahr. Doch jeder im Saal spürt, welche Gefühle die oberste Repräsentantin der Juden in Deutschland in diesem Moment bewegen, als sie davon berichtet. Wir denken unwillkürlich an rechtsradikale Übergriffe in der Vergangenheit. Warum muss es so etwas heute noch geben!
Und dennoch:
„Mut und Zuversicht sind unsere gemeinsame Zukunft“ schrieb sie in das Goldene Buch der Stadt Trier. Dem ist nichts hinzuzufügen.

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Wer sich für Einzelheiten Geschichte der neuen Synagoge und der Gemeinde der sie gehört, interessiert: Ein Buch „Neue Adresse Kaiserstraße“, herausgegeben von Reinhold Bohlen und Benz Botmann, erschienen im Paulinus-Verlag, beleuchtet die Hintergründe.