Eine Zeitungsmeldung und was daraus wurde

Am 22.5.2008 war im Trierischen Volksfreund zu lesen:

Roland Morgen Trier. “Was macht der denn da am Polizeiauto?”, staunte eine Passantin, die sich am Mittwochvormittag der Ansammlung von Uniformierten und Ermittlern in Zivil sowie einer Herde Schaulustiger an der Ecke Jakob-/Walter-Rautenstrauch-Straße näherte. Dass der ihr bekannte Mann, dem die Polizisten zuvor Handschellen angelegt hatten, die Sparda-Bank möglicherweise überfallen wollte, mochte sie nicht glauben. “Der doch nicht. Der trinkt viel und redet gerne dummes Zeug. Aber ein Banküberfall? Niemals”, sprach sie und verschwand, ohne noch etwas sagen zu wollen.
Tatsächlich wirkte der 66-jährige Trierer, den die Polizisten beim Verlassen der Bank festgenommen haben, eher “ziemlich neben der Kappe” und nicht wie ein potenzieller Bankräuber.
Die Indizien sprechen allerdings eine andere Sprache. In der Tasche, die der Mann mit sich führte, befanden sich eine Schusswaffe und ein vorbereiteter Zettel mit einer laut Polizei “formulierten Drohung”.
Der 66-Jährige sitzt nun hinter Gittern. Die Ermittlungsrichterin beim Amtsgericht erließ am Mittwochnachmittag einen Untersuchungshaftbefehl wegen versuchter schwerer räuberischer Erpressung.

Einige Zeit später

steht der 66jährige, wir nennen ihn einmal Kurt, vor den Schranken des Gerichtes, genauer gesagt, vor denen des Schöffengerichts in Trier.

Er kommt als freier Mann, hatte es doch seine engagierte Verteidigerin erreicht, dass der Haftbefehl schon nach kurzer Zeit wieder außer Vollzug gesetzt wurde.

Kurt sitzt mit gesenktem Kopf auf der Anklagebank:

Er ist eine tragische Figur,

ein Pechvogel. Mit 66 Jahren steht er vor den Trümmern seines Lebens: Zerbrochene Beziehungen, diverse Berufe, die er mal mit mehr, meist mit weniger Erfolg ausgeübt hatte, Konflikte mit seinen Kindern, die noch Schulden beim haben sollen, die sie nicht zurückzahlen. Ja die Schulden, vor allem Schulden über Schulden. Insbesondere das Finanzamt will noch jede Menge Geld von ihm, das er nicht hat und auch nicht mehr verdienen können wird. Mit einem Wort: Ein alternder Mann ohne jeden Perspektiven für sein Alter, ohne Zukunft.

Eine der wenigen Freuden in seinem Leben: Sich mal mit Freunden abends beim Bier in der Stammkneipe zusammensetzen und zu reden. Und so sprach er dort auch schon das ein oder andere Mal darüber, dass er lieber eine Bank überfallen den Knast ginge, als irgendwann im Altersheim zu landen. Wie man das halt so sagt beim Bier. Keiner hatte es ernst genommen, erzählen einige seiner Freunde dem Gericht, die als Zeugen geladen waren, honorige und bekannte Trierer Bürger übrigens.

Immerhin wusste Kurt, über was er redete. Denn mit dem Gefängnis hatte er vor zig’ Jahren schon einmal Bekanntschaft gemacht (das Bundeszentralregister hat bisweilen ein langes Gedächtnis): Er hatte damals im betrunkenen Zustand ein Fahrzeug gesteuert und dabei den Tod eines anderen Menschen verursacht, eine Haftstrafe ohne Bewährung war die Folge. Tragik durchzog eben sein Leben.

Die Sache mit dem Bankraub ging Kurt jedenfalls nicht mehr aus dem Sinn.

Und eines Tages war es dann so weit:

Die Verzweiflung so weit fortgeschritten war, dass der Plan in die Tat umgesetzt werden sollte, vermuten wir. Meinte er wirklich, seinen Schuldenproblem auf diese Art und Weise lösen zu können oder wollte er nur noch einmal „ganz groß rauskommen”? Da er vor Gericht jede Bereichungsabsicht bestreitet, können wir über seine Motivation nur spekulieren.

Er wusste jedenfalls, was er tat, denn betrunken war er nicht: 0,0 Promille wurden bei ihm später festgestellt.

Da er etwas gehbehindert war, lieh er sich eine Vespa – als Fluchtfahrzeug – nebst Motorradhelm – als Tarnung und Schreckschusspistole  – als Waffe. Dann besorgte er sich eine Aktentasche aus, die er mit dickem Papier präparierte, damit es ähnlich aussähe wie eine Bombe. Und dann schrieb er noch einen Zettel. „Geld geben her. Sonst alle tot”, oder so ähnlich kritzelte er darauf. Es sollte so etwas ausländisch klingen, erläutert er vor Gericht.

Der geplante Coup misslang, wie wir aus der Zeitungsmeldung wissen, aber dies zu seinem Glück. Dazu trugen zwei dumme Zufälle bei. Doch der Reihe nach:

Zunächst einmal begab sich Kurt mit seinem Gefährt zu der Bankfiliale am Stockplatz, die er sich als geeignetes Überfall-Objekt ausgesucht hatte. Dann betrat er, ohne seinen Helm abzuziehen, die Filiale, um den räuberischen Plan umzusetzen, sieht sich zögernd um…

Der erste Zufall:

Just an diesem Ort, just zu dieser Zeit betrat ein Kriminalhauptkommissar aus Wittlich den Vorraum, indem sich ein Bankautomat befindet. Er war heute privat in Trier, weil er den Bund der Ehe vor dem Standesamt eingehen und sich zuvor noch etwas Bargeld besorgen wollte. Er ist als Dozent an der Polizeischule in Wittlich tätig und bildet unter Anderem junge Polizeibeamte darin aus, wie sie Bankräuber erkennen und sich bei Banküberfällen verhalten sollen. Er traute einer eigenen Augen nicht, als er auf einmal gerade eine solche Situation beobachtete, die er immer seinen Schülern als verdächtig geschildert hatte: Ein Mann, mit Motorradhelm maskiert, ging nervös, unentschlossen im Schalterraum hin und her. Unser Polizeibeamter reagiert sofort,  befahl seiner Noch-verlobten, schnell das Gebäude zu verlassen und alarmierte über sein Handy die Trierer Kollegen, die sich sogleich mit zivilen Polizeifahrzeugen auf den Weg machten.

Der zweite Zufall:

Leiter der Bankfiliale ist jemand – nennen wir ihn Walter -, der unseren Kurt als Kunde einer ganz anderen Bank kennt, an der vor einigen Jahren beschäftigt war. Walter saß an diesem Tag in seinem Arbeitszimmer und beobachtete die Bilder der Kameras, die den Schalterraum überwachen: Dort beobachtet er plötzlich einen Mann mit Helm auf dem Kopf. Das sieht ein Filialleiter natürlich überhaupt nicht gerne. Mit solch einer Kopfbedeckung geht man nicht herum. deshalb begibt er sich schnellen Schrittes in den Schalterraum, um dem Mann aufzufordern, den Helm abzulegen.

Kurt hatte sich zwischenzeitlich brav am Bankschalter angestellt, war jetzt an der Reihe und wollte zur Tat schreiten. Vorsichtig schob er den Zettel mit der Drohung auf den Bankschalter vor die Kassiererin. Diese bemerkte das Papier aber nicht, sondern sah nur den seltsamen Menschen mit Motorradhelm. Im selben Moment war auch schon unser Filialleiter da und tippte den Behelmten auf die Schulter. Kurt drehte sich um. Beide sahen sich verdutzt durch das Helm-Visier an: „Ach, Du bist es Kurt!”, rief Walter erstaunt aus „Zieh’ doch mal diesen Helm aus!”

Kurt zitterte am ganzen Körper:

Entdeckt!

Wie jetzt hier wieder rauskommen?”, durchfuhr es ihn. Er versuchte erst einmal ganz unauffällig und ganz
l a n g s a m, den verräterischen Zettel wieder an sich zu nehmen und unbemerkt in die Hosentasche zu stecken.

Unserem Filialleiter kam das Verhalten seines alten Freundes Kurt jetzt doch etwas merkwürdig vor. Wirkte dieser doch arg nervös. Er bat ihn, nach draußen zu gehen. Dort wartete dann schon die bereits alarmierte Polizei auf ihn, um ihn im Empfang zu nehmen. Die weitere Geschichte kennen wir.

Nun steht er also vor Gericht

und hatte sich als Ausrede einfallen lassen zu erzählen, dass ein nicht gar nicht ernsthaft vorgehabt habe, die Bank zu überfallen, sondern dass es ihm lediglich darum gegangen sei, aus Verzweiflung ins Gefängnis zu kommen.

„Aber genau das habe er doch erreicht!”, fragt ihn der Vorsitzende Richter verwundert, „und kaum sei er drin gewesen, habe er mit Haftbeschwerden erreichen wollen, wieder herauszukommen! Das solle er mal erklären!”

Kurt zuckt mit Achseln. Als er die Zustände dort gesehen habe, habe er es sich eben anders überlegt, versucht er zu erklären.

Die Verteidigerin setzt sich für ihren Mandanten ein, so gut es eben bei dieser Beweislage geht: Der Angeklagte habe den Überfall nicht ernsthaft gewollt, trägt sie in ihrem Plädoyer charmant vor, er habe nur aus Verzweiflung ins Gefängnis gewollt. Warum er dann diese merkwürdigen Zettel geschrieben hat, der offenbar von der Täterschaft ablenken sollte, muss sie als Verteidigerin nicht erklären. Der Mandant konnte es nicht erklären.

Der Staatsanwalt weiß nicht, ob er lachen oder weinen soll. Man darf nicht vergessen, die Tat hätte anders verlaufen können, viel Unheil anrichten können, wenn sie anders verlaufen wäre. Gleichwohl ist er milde gestimmt und beantragt eine Freiheitsstrafe von 2 Jahren mit Bewährung und verzichtet auf Beantragung der üblichen Geldbuße als Bewährungsauflage. Für Nichtjuristen zur Information: Normalerweise steht auf einem Bankraub eine Mindeststrafe von 5 Jahren, es drohen15 Jahren Höchststrafe. Glücklicherweise hat der Gesetzgeber eine Strafmilderung für den Versuch vorgesehen und außerdem so genannte minder schwere Fälle geschaffen. Dies ist ein typisch minder schwerer Fall, meint der Staatsanwalt.

Das Gericht schließt sich in seinem
Urteil
dem an und erläutert, dass der Einlassung des Angeklagten, alles sei von vornherein nicht ernst gemeint gewesen, nicht glauben könne. Es lässt aber noch größere Milde walten und verhängte Freiheitsstrafe von einem Jahr und 8 Monaten, die dann auch sofort rechtskräftig werden.

Die Zuschauer im vollen Gerichtssaal erkennen, dass das Leben manchmal viel interessantere Geschichten schreiben kann, als sich die Autoren für Gerichtssendungen, die auf dem Privatsender laufen, ausdenken können.