Totgesagte leben länger oder: Die (unendliche?) Geschichte der »blauen Lagune«

Manche erinnert sie an das Ungeheuer von Loch Ness: Immer wieder taucht sie auf und gibt Anlass zu hitzigen Diskussionen. Schon oft totgesagt und doch lebt sie noch immer: Die Aral-Tankstelle in der Ostallee.

Ihr Schicksal ist ein gutes Beispiel dafür, wie Kommunalpolitik funktioniert. Für mich ein Anlass, einmal aus meiner Sicht den Ablauf der Geschehnisse um die Tankstelle darzustellen:

 

Der Beginn

Wir schreiben das Jahr 1958.  In Deutschland boomte der Autoverkehr. Die Bundesrepublik Deutschland ist gerade nach den USA zum zweitgrößten Automobilproduzenten der Welt aufgestiegen. Und die Autos werden immer größer und verbrauchen demzufolge auch mehr Benzin. Tankstellen mussten also her!

Die Stadt Trier litt auch damals schon unter akuten Finanzproblemen. Die Neuverschuldung stieg, Gleichwohl hatte man am 31.1.1958 im Stadtrat einen Grundsatzbeschluss zur Erhaltung des 3-Sparten-Theaters gefasst. Geld musste her!

Was lag also näher als beide Anliegen miteinander zu kombinieren? Man verpachtete ein Grundstück mitten im Alleenring, weil zentral gelegen, an die damalige Aral AG. Damals interessierte es niemanden, dass das Tankstellengebäude mitten im Alleenring an einer – so sagt man heute – sehr sensiblen Stelle errichtet werden sollte. Entscheidend war die sehr zentrale Lage in Trier, die dann später noch von großer Bedeutung sein sollte.

Die erste Vertragsverlängerung – problemlos!
Sie sollte eigentlich die letzte sein!

1996 ersetzte man den alten Mietvertrag durch einen neuen, der dann im Jahre 2003 bis zum 31.12.2010 verlängert wurde. Danach sollte Schluss sein mit dem Tanken im Alleenring, so dachte man jedenfalls.

Am 12.2.2009 sollte dann entsprechend der Vertragslage der Tankstelle endgültig der Garaus gemacht werden. Doch der Tankstellenpächter wollte gerne noch weitermachen und meldete sich bei den Fraktionen. Hinzu kam der Umstand, dass im städtischen Haushalt überhaupt keine Mittel zur Verfügung standen, den Rückbau durchzuführen. Dem gegenüber stand der feste Wille der Verwaltung,  insbesondere der der damaligen Baudezernentin Käs-Torchiani. Plante sie doch seit Jahren, das Gelände wieder als Grünfläche in den Alleenbereich zu integrieren, um eine Verbesserung der Gesamtsituation des Alleenrings herbeizuführen. Im Rahmen einer durchgeführten Bürgerbeteiligung »Grün in der Stadt« aus dem Jahre 2004/2005 stellte die Arbeitsgruppe »Alleenring« im Abschlussbericht fest, dass die Tankstelle eine Barriere in der Grünanlage darstelle und deren Rückbau zeitnah anzustreben sei. Ein noch schwerwiegenderes Argument waren die bestehenden Lärmbelästigungen. Es wurde vorgetragen, dass schon Mieter abgewandert seien. Außerdem hätten sich Anwohner, die sich erheblich gestört fühlten, häufig über den Verkauf und Verzehr von Alkohol beschwert. 

Kein Wunder also, dass in der Sitzung des Dezernatsausschusses eine recht heftige Diskussion über den Pachtvertrag entstand, an deren Ende man sich auf den 3.3.2009 vertagte. Es sollten in der Zwischenzeit Gespräche mit dem Pächter geführt werden, welche Gegenleistung dieser bereit sei zu erbringen, sollte der Pachtvertrag verlängert werden. Und diese Gespräche waren mit Erfolg gekrönt. Der Pächter war bereit zu ›liefern«. So konnte dann ein Kompromiss erzielt werden.

Der Kompromiss

Im Protokoll dieser Sitzung heißt es dazu wörtlich:  »Nach kurzer Diskussion wurde von Ratsmitglied Albrecht im Namen der CDU-Fraktion der Antrag gestellt, eine Verlängerung für 2 Jahre, bis 31.12.2012, mit den genannten Bedingungen zum Rückbau, die vertraglich festgehalten werden müssen, vorzusehen

Kurz und grob zusammengefasst: Der Tankstellenpächter erhält noch eine Galgenfrist, dafür übernimmt er dann die Kosten des Rückbaus, die Stadt hat diese gespart. Ein guter »Deal«, der von allem akzeptiert wurde, weil beide Seiten davon profitierten.

Das Theater um die Tanke

Eigentlich sollte dann endültig Schluss sein mit der »Tanke« in der Ostallee. Eigentlich!

Doch es kam anders als gedacht, ganz anders. Mittlerweile hatte sich das Internet, insbesondere die sozialen Medien, zum festen Bestandteil der kommunalpolitischen Arbeit weiterentwickelt.

Ganz harmlos begann das sich entwickelnde Drama damit, dass die Mitarbeiter der Tankstelle, die um ihre Arbeitsplätze bangten, im so genannten «Bürgerhaushalt» – ein von der Stadt Trier betriebenes Internet-Forum, in dem Bürgerinnen und Bürger Vorschläge zur Kommunalpolitik einbringen können – gegen die eigentlich fest beschlossene Schließung protestierten.

Dies griff das damals viel gelesene Online-Magazin 16vor auf. Unter der Überschrift Blaue »Lagune soll Grünzug weichen« schilderte der Journalist Marcus Stölb die Existenzängste der Beschäftigten und stellte am Ende infrage, dass das letzte Wort über die Tankstelle schon gesprochen sei.
Ich war zum damaligen Zeitpunkt aufgrund der im Ausschuss geführten Diskussion indes der festen Überzeugung, dass sich an dem 2009 gefassten Beschluss nichts mehr ändern ließe und habe demzufolge resignierend in einem Leserbrief zu dem oben genannten Artikel geschrieben: Das Auslaufen des Pachtvertrages sei »nun einmal mehrheitlich beschlossen worden und ich fürchte, dass da nichts mehr zu ändern« sei.  Da sollte ich mich aber gewaltig geirrt haben!
In einem zweiten Artikel
»Der vergessene Tankstellen-Deal« – wurde das Thema noch einmal vertieft, das jetzt ebenfalls der »Trierische Volksfreund« aufgriff und auch damit einem Publikum zugänglich machte, das die neuen Medien weniger intensiv nutzte.

Die blaue Lagune

Jetzt machten die Befürworter der Tankstelle richtig mobil und kämpften vehement für deren Erhalt. Die »blaue Lagune«, wie sie auf Grund ihrer Farbe und Lage mitten in der Allee genannt wurde, wurde zu einer Art Kultobjekt hochstilisiert. Eine Online-Petition wurde eingereicht und es bildete sich eine Facebook-Gruppe »Tanke Ostallee muss bleiben!«. Nicht nur das: 4500 Unterschriften, die sich für den Erhalt der Tankstelle aussprachen, wurden gesammelt.

»Im Internet tobt der Widerstand gegen die Schließung der Aral-Tankstelle an der Ostallee, und auch die Politik denkt um«, stellte Jörg Pistorius am 27.9.2011 in einem Artikel im TV die Situation recht dramatisch dar.
Am 3.10.2011 veranstaltete der Trierische Volksfreund sogar eine Podiumsdiskussion zum Thema, an der ich für unsere Fraktion teilnahm.

Natürlich dauerte es nicht lange bis sich auch die Gegner der Tankstelle zu Wort meldeten. Dabei ging es ihnen weniger um gute Stadtentwicklung, sondern mehr um die Störungen, die von dieser Tankstelle ausgingen. Lärm und Belästigungen, die nächtliche, vor allem jugendliche Käufer von Alkoholika verursachten. Ein Anwohner verstieg sich gar dazu, der Tankstelle aus Protest öffentlichkeitswirksam auf das Dach zu steigen.

»Die Tankstelle spaltete Ende 2011 eine ganze Stadt«, reflektierte im April 2016 die Süddeutsche Zeitung das damalige Geschehen.

Es entstand in der Öffentlichkeit der Eindruck, als sei eine Mehrheit der Triererinnen und Trierer  eindeutig für den Erhalt dieser Tankstelle.  Dies wurde von Gegnern indes immer wieder angezweifelt, die meinten, es hätten auf den Listen auch zahlreiche Leute unterschrieben, die nicht in Trier wohnen würden. Und man wisse auch nicht, wer sich wirklich hinter den Facebook-Befürwortern verberge.

Was also tun?

Man dürfe sich diesem unqualifizierten  Internet »Shit-Storm« nicht beugen und sich nicht einer »Facebook-Demokratie« unterwerfen, meinten die Einen.
Der deutlich geäußerten Meinung einer so großen Vielzahl von Bürgerinnen und Bürger dürfe sich der Stadtrat einfach nicht verschließen, meinten die Anderen.

Die zweite Vertragsverlängerung

Die (damalige) FWG -Fraktion (heute UBT) witterte ihre Chance und griff geschickt das Thema auf (siehe Bericht im Online-Magazin 16Vor, in dem sich auch ein Leserbrief von mir befindet, in welchem ich meine damalige nicht ganz einfache Situation beschrieb). Am 1.11.2011 stellte sie für den Stadtrat den Antrag, »die städtebauliche Zielsetzung, das Grundstück… (Tankstelle Ostallee) dem Grün des Alleenrings zuzuführen, wird zunächst nicht weiter verfolgt. Der in nichtöffentlicher Sitzung des Dezernatsausschusses IV vom 03.03.2009 getroffene Beschluss …wird daher aufgehoben

Über dieses Ansinnen wurde in der Stadtratssitzung vom 17.11.2011 zunächst leidenschaftlich diskutiert und anschließend abgestimmt. Wer mag, kann den Verlauf der Sitzung und die Diskussion hier  nachverfolgen.

Der Stadtrat nahm den FWG Antrag bei 25 Ja-Stimmen (13 Stimmen der CDU-Fraktion, 6 Stimmen der FWG-Fraktion, 4 Stimmen FDP-Fraktion und 2 Stimmen  Linksfraktion) und 23 Nein-Stimmen (13 Stimmen SPD-Fraktion, 9 Stimmen Fraktion Bündnis 90/Die Grünen und einer Stimme des Oberbürgermeisters) an. Knapper ging es kaum.

Damit war die Stadtverwaltung beauftragt worden, in die Vertragsverhandlungen zur Verlängerung des Vertrages einzusteigen, was sie dann auch pflichtgemäß tat.

In der Stadtratssitzung vom 28.6.2012 wurde das Ergebnis der Vertragsverhandlungen von der Beigeordneten Käs-Torchiani in wesenlichen Zügen (soweit dies rechtlich möglich war) präsentiert:

  1. Der Vertrag für diese Weiterbetreibung der Tankstelle solle für 5 Jahre .. bis zum 31.12.2017 einmalig verlängert werden.
  2.  Der Pächter werde im Rahmen einer vertraglichen Selbstbeschränkung den Verkauf von alkoholhaltigen Getränken zwischen 22.00 Uhr und 06.00 Uhr drastisch einschränken (Anwendung des so geannten Frankenthaler Models)
  3. Der Wasch- und Staubsaugerbetrieb wurde eingeschränkt
  4. Es gab für die Stadt finanzielle Zugeständnisse im Zusammenhang mit dem späteren Rückbau.

Na bitte, geht doch! Für mich war insbesondere bemerkenswert, dass der Pächter sich nunmehr doch auf eine drastische Einschränkung des Alkoholverkaufs eingelassen hatte, hatte er doch zuvor immer wieder betont, dass ein wirtschaftlicher Betrieb  des Geschäfts ohne diese Möglichkeit nicht machbar sei.

Eigentlich konnten jetzt alle, so denke ich rückwirkend, mit dieser gefundenen Lösung zufrieden sein. Nachdem bei der Stadtratssitzung zuvor noch heftig diskukiert wurde, verlief diese Sitzung relativ harmonisch, wobei natürlich die jeweiligen Fraktionen bei ihren zuvor geäußerten Meinungen blieben. So äußerte mein Ratskollege Rainer Lehnart (SPD),  er sehe die Gefahr, dass die Verlängerung eine »unendliche Geschichte« werde.

Thema erledigt? Mitnichten!

Ja, wie war das mit dem Wort »einmalig« verlängert? Bedeuete dies, 2017 solle endgültig Schluss mit dem Tankstellenbetrieb sein?  Wirklich?

Genau diese Frage wurde in der damaligen Ratssitzung ausdrücklich angesprochen. Ich zitiere den Trierischen Volksfreund vom 1.7.2012

»Vehement wehrten sich mehrere Fraktionen gegen einen Eindruck, den Kaes-Torchiani zuvor im Ausschuss vermittelt hatte: Bei Vertragsende 2017 sei endgültig Schluss mit der Tanke. ›Das können wir gar nicht festlegen. Nach den fünf Jahren sieht man weiter‹, stellte Albrecht fest. ›Der Stadtrat entscheidet auch über eine mögliche erneute Verlängerung‹, bekräftigte Christiane Probst (FWG).«

Die »Tanke« taucht wieder auf

Ich hatte das Thema »Araltankstelle« für mich eigentlich abgehakt, bis sich im April 2016 der mir bis dahin völlig unbekannte Markus Römer meldete.

Er sei CDU-Mitglied sagte er mir, spreche mich aber als Bürger dieser Stadt an. Er sehe nicht ein, dass die Tankstelle, die eine so wichtige und zentrale Funktion erfülle, schließe und Arbeitsplätze vernichtet würden. Er wolle in dieser Richtung initiativ werden und habe auch schon Kontakt mit dem Pächter und der Firma BP aufgenommen.

Auch Letztere waren überrascht, hatten sie ebenfalls das Thema beerdigt und sich auf ein Ende der Tankstelle eingestellt. Wenn sich aber jemand für den Weiterbetrieb einsetze, wollten sie sich dem selbstverständlich nicht verschließen und sich auch mit kreativen Ideen an dem Projekt beteiligen, wurde mir kommuniziert.

Mein erster Gedanke zu dem überraschend Vorstoß war: »NEIN, nicht schon wieder!«, hatte ich doch schon die ganzen Diskussionen mit den sich gebetsmühlenartig immer wiederholenden Argumenten des Für und Wider, verbunden mit den üblichen Beschimpfungen, schon vor meinem geistigen Auge,  genau so, wie es sich das dann auch zugetragen hat.

Andererseits: Ein Bürger, der sich engagieren will, warum nicht? Da kann man eigentlich nicht dagegen sein. Ist eigentlich Klasse! Soll er doch mal machen, dachte ich! Beklagen wir doch allenthalben  fehlendes bürgerschaftliches Engagement. Ich sagte ihm also meine Unterstützung zu. Ergänzend führte ich auch selbst ein Gespräch mit dem Pächter der Tankstelle, Lothar Schmitz, und einem Manager von BP, um mich zu überzeugen, ob eine Fortführung der Tankstelle von deren Seite  gewollt und möglich war. Sie war es.

In der Folgezeit stellte die Firma BP den Stadtratsfraktionen ihr neues Konzept vor, am 21.11.2016 zunächst der CDU , dann auch anderen Fraktionen.

Recht anschaulich beschireb Jörg Pistotius das Projekt im Trierischen Volksfreund vom 4.3.2017  »Dieses Konzept sieht vor, die alte Tankstelle abzureißen und eine neue zu bauen. Die Bäume sollen nicht verschwinden, sondern integriert werden. Aus dem unansehnlichen alten Parkplatz neben der Tankstelle soll eine Ladestation für Elektromobile werden. Mehr noch: Die BP will den Charakter der blauen Lagune verstärken – auch wenn im Konzept nicht von einer Lagune, sondern einer Oase die Rede ist – und ein ‘Hochbeet mit Bepflanzung, ein Wasserspiel zur Entspannung, geschützte Sitzgelegenheiten, einen Sonnenschutz und eine Sichtschutzwand mit Berankung’ installieren. Die blaue Lagune soll ein Ort zum Verweilen und Auftanken von Fußgängern, Autofahrern und Radfahrern werden.«

Mich persönlich überzeugte der Plan im Prinzip sehr, wenn mir auch der vorgestellte Entwurf des neuen Tankstellengebäudes  stark überarbeitungsbedürftig erschien.

Andere waren von den neuen Plänen hingegen weniger offensichtlich überzeugt: Ungewöhnlich heftig reagierte der als äußerst besonnen bekannte Baudezernent Ludwig auf den Vorschlag. Das Ergebnis der Pressekonferenz treffend zusammengefass von Eric Thielen im Online-Magazin »Trier-Reporter«: »Wir müssen uns nicht prostituieren!« .

»Es wird also schwierig, sehr schwierig werden, eine Mehrheit im Stadtrat davon zu überzeugen, die Tankstelle bestehen zu lassen«, dachte ich. Schon immer war ich der Überzeugung, dass das Thema nicht emotional, sondern sachlich nach sorgfältiger Abwägung des Für und Wider diskutiert werden sollte. Prinzipienreiterei würde sicher nicht weiterhelfen. Mir schwebte demzufolge vor, die Frage einer möglichen Pachtverlängerung in Ruhe und zunächst einmal außerhalb der Öffentlichkeit mit allen Beteiligten sorgfältig zu erörtern, bevor man mit ihr in den Stadtrat geht. Doch daraus wurde nichts.

Unglücklicher Schnellschuss

Am 17.2.2017 preschte die UBT-Fraktion – für mich völlig unerwartet – mit einem Antrag vor:

»Die städtebauliche Zielsetzung, das Grundstück … (Tankstelle Ostallee) dem Grün des Alleenrings zuzuführen, wird zunächst nicht weiter verfolgt. Der mit Datum vom 17.11.2011 getroffene Stadtratsbeschluss, den Pachtvertrag für die Tankstelle Ostallee zunächst für 5 Jahre zu verlängern und zum 31.12.2017 auslaufen zu lassen mit dem Ziel, die Tankstelle zu beseitigen, wird zunächst nicht weiter verfolgt.«, sollte der Stadtrat nach dem Willen der Wählervereinigung beschliessen.

Manche fanden es gut, dass die UBT dieses Zeichen zugunsten der Tankstelle setze. Ich persönlich fand es äußerst ungeschickt und dem eigentlichen Anliegen überhaupt nicht dienlich. Denn erstens trug die verfrühte Behandlung im Stadtrat nur dazu bei, dass sich die Fronten verhärteten, zweitens hätte man der Firma BP eine Art Freifahrtschein ausgestellt, würde man sich schon frühzeitig auf eine Pachtverlängerung festlegen, ohne die Verhandlungen abzuwarten. Darauf hat insbesondere Baudezernent Andreas Ludwig völlig zu Recht hingewiesen. Ohnehin wäre es viel klüger gewesen, die Angelegenheit in einem gemeinsamen, von mehreren Fraktionen getragenen Antrag in den Rat zu tragen.

Schmerzhafte Niederlage im Stadtrat

Mein Vorschlag war daher, die Angelegenheit noch einmal im zuständigen Dezernatsausschuss in Ruhe zu eruieren. Daher habe ich in der Stadtratssitzung vom 13.3.2017 genau dies beantragt.

Das Protokoll dieser Ratssitzung   fasst nüchtern das Ergebnis  meiner Bemühungen zusammen:

»Der von Ratsmitglied Herr Albrecht namens der CDU-Fraktion gestellte Antrag auf Verweis in den Dezernatsausschuss IV wurde bei 26 Ja-Stimmen, 28 Nein-Stimmen (drei Stimmen der CDU-Fraktion, 14 Stimmen der SPD-Fraktion, 8 Stimmen der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen, 1 Stimme der Linksfraktion, 1 Stimme des Ratsmitgliedes Frau Dr. Henseler und einer Stimme des Oberbürgermisters) abgelehnt.«

Anschließend wurde dann  auch der komplette UBT-Antrag abgelehnt, der auch meiner Meinung nach aus den oben genannten Gründen so nicht hätte beschlossen werden dürfen.

Die Tankstellengegner jubelten. Ich war, wie man so schön sagt, »not amused« über das Geschehene, dachte aber gleichzeitig, »Das war jetzt aber endgültig mit der Tankstelle! «. Dachte ich! Von wegen!

Schluss! Aus ??  Nein, immer noch nicht!

Weit gefehlt! Ich hatte nicht mit der Beharrlichkeit von Markus Römer gerechnet. Er wolle jetzt ein Bürgerbegehren starten, erfuhr ich von ihm, ein Vorhaben, das ich  – ehrlich gesagt – etwas müde belächelte. Leute auf Facebook zu motivieren oder  auf einer unverbindlichen Liste Unterschriften zu sammeln,  auf die sich auch Nicht-Trierer eintragen können, ist das Eine. Über 4200 (!) geprüfte Unterschriften für ein Bürgerbegehren von Trierinnen und Trierern einzusammeln für eine solche Frage das Andere.

Eine Fehleinschätzung: Die erforderlichen Unterschriften kamen zusammen. Ein paar mehr noch dazu. Es war wirkliich verblüffend, wie viele sich für das Anliegen gewinnen ließen. Der Bürgerentscheid muss jetzt durchgeführt werden, sollte der Stadtrat dem geäußerten Anliegen nicht stattgeben.

Natürlich, Markus Römer und seinen Mitstreitern kam der Umstand zugute, dass die letzte rot-grüne Landesregierung die gesetzlichen Hürden für das Durchführen eines solchen Bürgerbegehrens deutlich gesenkt hat.

Das entbehrt nicht einer gewissen Pikanterie, hatte man sich doch gerade bei den Grünen, die das Gestzesvorhaben angestoßen haben, eher vorgestellt, dass hiermit für Bürgerinnen und Bürgern ein Ventil geöffnet werden sollte,  die sich gegen irgendwelche Bauprojekte – zum Beispiel aus Umweltschutzgründen – wenden wollen. Dass der erste Bürgerentscheid in Trier  jetzt ausgerechnet den Erhalt einer Tankstelle bezweckt, schwebte den Erfindern wohl weniger vor.

Wie geht es weiter?

Jetzt ist der Stadtrat gefragt, er muss sich mit dem Thema beschäftigen. Gibt er dem Anliegen des Bürgerbegehrens statt, den Vertrag zu verlängern, ist die Sache erledigt. Lehnt er dies ab, kommt es automatisch zu einem Bürgerentscheid. Dieser wird dann voraussichtlich am 10.12.2017 statfinden, den Termin muss der Stadtrat aber letztlich festlegen.

[Ergänzung vom 15.8.: In der Sitzung vom 14.8.2017 hat sich die CDU Stadtratsfraktion jedenfalls dazu entschieden, das Anliegen der Befürworter im Stadtrat zu unterstützen und für den Fortbestand der Tankstelle zu stimmen.]

Sollte es zur Durchführung des Bürgerentscheides kommen wird dies natürlich einen gewissen Personal- und Kostenaufwand verursachen. Das ist aber von Gesetzgeber bedacht und eben der Preis für die direkte Demokratie. Hatte die Prüfung der zulässigkeit des Bürgerbegehrens schon ca. 9000 Euro gekostet, muss man bei der Durchführung des Bürgerentscheids mit Kosten in Höhe von ca. 200.000 Euro rechnen. Die genaue Summe hängt von der Anzahl der zu errichtenden Wahllokale ab, über die der Oberbürgermeister als Wahlleiter zu entscheiden hat.

Wenn ca. 13.000 Bürger/innen zur Wahlurne gehen und mit «Ja» stimmen, bleibt die Tankstelle erhalten. Genau darauf setzen die Gegner der Tankstelle. Sie sind der festen Überzeugung, dass es niemals gelingen wird, so viele Leute wegen einer solchen Frage aus ihren Sesseln zu reißen, damit sie zur Wahlurne gehen. Deshalb appellieren sie jetzt schon an den Stadtrat, es auf jeden Fall auf dieses Bürgerbegehren ankommen zu lassen und keinesfalls dem Anliegen nachzukommen.

Die Befürworter hoffen, dass sich aufgrund des Anliegens jetzt doch noch eine Mehrheit im Stadtrat finden wird. Ich wage es nicht, derzeit die Mehrheitsverhältnisse abzuschätzen. Der bisherige Verlauf der Tankstellen-Diskussion mit seinen vielen völlig überraschenden Wendungen hat jedoch gezeigt, dass niemand, gleichgültig welche Auffassung er vertritt, über den Ausgang sicher sein sollte.

Wie vorherzusehen war, ist auch der erwartete Shit-Storm auf Facebook ausgebrochen. Unzählge Kommentare, mal sachlich, mal rüpelhaft und unverschämt, werfen sich Gegner und Befürworter die  hinlänglich bekannten und schon zigfach vorgetragenen Argumente an den Kopf. Auch ich selbst sah mich Beschimpfungen ausgesetzt, weil ich das Bürgerbegehren öffentlich begrüßt habe.

Dabei bleibt völlig im Dunklen, über was sich die Leute eigentlich echauffieren. Dass über 4000 Einwohner dieser Stadt von einer Möglichkeit Gebrauch gemacht haben, die ihnen der Gesetzgeber ausdrücklich eingeräumt hat, kann doch nun wirklich nicht ernsthaft beklagt werden.

»Gibt es nichts Wichtigeres?«, wird auch immer wieder gefragt. Aber was wichtig und was unwichtig ist, entscheiden nach dem Willen des Gesetzes bei einem Bürgerbegehren eben nicht irgendwelche Kommentatoren oder Kommunalpolitiker, sondern die Bürgerinnen und Bürger selbst.

Meines Erachtens drängt sich da eher eine ganz andere Frage auf:

Warum bewegt die »Tanke« eine ganze Stadt?

Warum lassen sich bei einer solchen Frage, von der – objektiv betrachtet – das Wohl und Wehe unserer Römerstadt nicht entscheidend abhängt, so viele Leute mobilisieren?

Über die Antwort kann man nur spekulieren: Ich vertrete die These, dass es sich hier um ein Thema handelt,  das nicht so kompliziert wie andere kommunalpolitische Fragen ist, bei denen es nicht so vieles zu bedenken und zu erwägen gibt. Jeder kann bei dem Thema mitreden, es ist einfach, kompakt und griffig.

Da viele Triererinnen und Trierer häufig an diesem zentralen Ort vorbeikommen oder fahren, fühlen sich zudem besonders viele angesprochen.

Schließlich gibt es den Gewöhnungseffekt, der die Befürworter motiviert: Viele haben sich an die Tankstelle, an der man ohne lange Umwege schnell mal vor der Fahrt nach Luxemburg »Zwischentanken« oder sein Auto waschen kann, gewöhnt. Zahlreiche nutzen gerne die Gelegenheit, sich auch einmal zur Nachtzeit mit Lebensmittel zu besorgen, und wenn es nur eine Tiefkühlpizza ist, wenn man Hunger verspürt. Jetzt will die Stadt ihnen dieses lieb gewordene, ach so praktische und bequeme »Spielzeug« (Ich meine das nicht abwertend) wegnehmen. Was interessiert da die Schönheit, das kann man sich einfach nicht gefallen lassen. Eine gute Gelegenheit, es den Kommunalpolitikern, die ohnehin immer alles falsch machen, mal so richtig zu zeigen.

Gegner reiben sich gerne an dem Thema, weil etwas Grundsätzliches dahinter steht: Was soll obsiegen, der schnöde Mammon, die Interessen eines Konzerns oder die Umwelt? Das ist eine Prinzipienfrage, über die man sich richtig aufregen kann. Eine gute Gelegenheit,  an das Verantwortungsgefühl der Kommunalpolitiker, die ohnehin immer alles falsch machen, zu appellieren.


Und ich selbst, der keinen Vertrag mit dieser Tankstelle hat, der sie auch nicht braucht, weil er abends dort weder einkauft,noch als praktizierender E-Biker dort tanken muss? Mich verfolgt das Theater um die Tanke – wie wir gesehen haben – wie eine lästige Fliege,  Wie stehe ich heute zum Thema?

Meine Meinung: Pragmatisch sein!

Wie ich mit vielen Zitaten belegen kann, habe ich schon immer Verständnis für die Position derjenigen gehabt, die postuliert haben, eine Tankstelle passe einfach nicht an einen solchen Ort mitten im Alleenring gehöre, insbesondere von den beiden von mir  geschätzten Beigeordneten Simone Käs-Torchiani und Andreas Ludwig. Niemand wird ernsthaft bestreiten, dass aus Sicht der Stadtplanung eine Tankstelle dort nicht hingehört. Doch bedeutet dies wirklich, dass man den jetzt schon so lange ertragenen Zustand nicht noch weitere 10 bis 15 Jahre erdulden könnte?

Ich bekenne mich auch offen zu einem sinnvollen Pragmatismus:
Großes Verständnis habe ich für diejenigen, denen eine solche Tankstelle an zentraler Stelle einfach wichtig ist,  weil man dort rund um die Uhr einkaufen kann. In Trier gibt es ja nur noch sechs Tankstellen, zwei davon haben rund um die Uhr geöffnet. Dabei ist der Erhalt von Arbeitsplätzen (viele arbeiteten dort jahrelang), vor allem aber auch die Möglichkeit für die Stadt, nicht unebträchtliche Pachteinnahmen zu erzielen, für mich ein weiteres gewichtiges Argument.

Apropos Geld: Sollen wir wirklich wegen einer solchen Frage rund 230.000 Euro ausgeben oder ist es nicht sinnvoller  – so wie es der Gesetzgeber auch vorsieht – das von so vielen Bürgerinnen und Bürgern geäußerte Anliegen ernst nehmen und dem Ansinnen nachkommen?

Das Lärm-Problem, das bei Diskussion vor sechs Jahren noch eine entscheidende Rolle spielte, ist vom Tisch.

Hier muss es keinen Radweg geben!

Auch die früher heiß diskutierte Frage eines Radweges ist nebensächlich geworden. Zum einen hat sich BP bereit erklärt, gegebenenfalls einen solchen neben der Tankstelle selbst zu bauen und zu bezahlen. Andererseits erscheint es nicht nur mir zweifelhaft, ob ein solcher an dieser Stelle überhaupt sinnvoll ist.

Wäge ich also die Argumente gegeneinander ab, so siegt bei mir der Pragmatismus. Ich meine auch nicht – wie manche Facebook Kommentatoren oder die Stadtverwaltung – dass das Erscheinungsbild der ganzen Stadt Trier bleibenden Schaden erleidet, wenn man die Tankstelle an diesem Ort belässt. Das fällt doch gar nicht besonders auf.

Der BP-Konzern rechnet mit einem notwendigen Investitionsvolumen von 1,6 bis 1,8 Millionen Euro, um einen Neubau realisieren zu können. Das rechnet sich natürlich nur, wenn er die feste Option eines Pachtvertrages von 10 bis 15 Jahren hat. Dieser würde mithin dann Ende 2027 bzw. 2031 enden.

Die Politik nimmt den  Zeitraum etwa ab 2030 ins Visier, in dem es keine oder so gut wie keine Verbrennungsmotoren geben soll. Schon jetzt denken deshalb Mineralölkonzerne darüber nach, wie sie sich für die neue Mobilität aufstellen können. Und die BP hat in ihren Plänen für den Umbau bereits eine Tankstelle für Elektrofahrzeuge  vorgesehen. Ein Neubau an dieser Stelle könnte dem Konzern die Chance eröffnen,  auszuprobieren und zu zeigen, was in Zukunft möglich und machbar ist. Wir sollten sie ihm gewähren, wenn dies wirklich so vielen Triererinnen und Trierern wichtig ist!